1229 - Das Vogelmädchen
können, was sich hier unten abspielte, ohne dass sie selbst entdeckt wurden.
Der Gedanke gefiel ihr nicht, aber sie bekam ihn auch nicht aus ihrem Kopf. Mit Carlotta wollte sie auf keinen Fall darüber reden. »Komm mit, ich denke, dass mein Roller noch funktioniert.«
»Das will ich doch hoffen.« Das Vogelmädchen lachte wieder und hatte seine Fröhlichkeit zurückbekommen. »Zur Not können wir die Strecke auch fliegen, Max.«
»Ja, das weiß ich.«
Der Roller lag einige Meter entfernt und war auf die Seite gekippt. Es war ein robustes Fahrzeug, und auch der Sand hatte ihm sicherlich nichts getan.
Maxine richtete ihn auf, hörte wie der Sand an ihm hinweg nach unten rieselte und wartete darauf, dass Carlotta zu ihr kam. Das Vogelmädchen ging langsam. Es drehte sich bei jedem Schritt, schaute in die Umgebung, auch zum dunklen Himmel und suchte noch immer nach dem Riesenvogel und seiner Begleitung.
Da war nichts zu sehen. Achselzuckend blieb sie neben der Ärztin stehen. »Sie scheinen weg zu sein. Wenn ich ehrlich bin, möchte ich ja gern aufsteigen und den Himmel…«
»Untersteh dich. Du kommst jetzt mit. Bei mir zu Hause reden wir weiter.«
»Ja, ja, schon gut.« Sie gähnte. »Ich fange jetzt auch an, müde zu werden.«
»Wunderbar.«
»Kannst du denn schlafen, Max?«
»Das weiß ich doch jetzt nicht. Steig jetzt auf, Kind.«
Das wollte Carlotta auch, aber sie hielt sich damit zurück, denn nicht weit entfernt hatte sie eine Bewegung in der Dunkelheit gesehen.
Der Ärztin war sie nicht aufgefallen, denn sie beschäftigte sich noch mit dem Roller.
Carlotta schaute hin. Sie entdeckte zwei Personen, aber sie hatte nicht gesehen, woher sie gekommen waren. Ihre Gestalten hatten sich nicht auf dem Strand abgezeichnet. Es waren also keine einsamen Wanderer in der Nacht, aber hier war sowieso alles anders. Mit normalen Maßstäben konnte es nicht gemessen werden.
Das Vogelmädchen merkte, dass von den beiden keine Gefahr ausging. Sie hörte auch ihre Stimmen, weil der Wind recht günstig stand.
Stimmen?
»Steig endlich auf, Carlotta.«
Sie hörte nicht, was ihr die Ärztin gesagt hatte, denn alles war anders geworden, seit sie den Klang der einen Stimme gehört hatte, die ihr nicht fremd gewesen war.
»John…?«
»Sagtest du was, Carlotta?«
»Ja. Ich habe John gesagt.«
»Wen meinst du damit?«
»John Sinclair«, flüsterte Carlotta.
Die Antwort veranlasste Maxine zum Lachen. »Das ist wohl ein Wunschtraum von dir.«
»Nein, Max, das ist keiner.«
»Unsinn. Ich…«
»Schau mal nach vorn, bitte.«
Maxine Wells tat es. Etwas in der Stimme des Mädchens hatte sie dazu gezwungen. Sie entdeckte auch jemanden und glaubte auch, eine zweite Gestalt zu sehen, die allerdings schnell verschwand, während der erste Mann direkt auf sie zukam.
Maxine schüttelte den Kopf.
»Nein«, flüsterte sie, »nein, das kann nicht wahr sein, das glaube ich nicht…«
»Doch, Max, er ist es…«
Plötzlich hatte die Ärztin das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren, denn der Mann, der sich ihr näherte, war kein Geist, keine Halluzination, kein Wunschtraum - es war tatsächlich John Sinclair…
***
Die Reise war vorbei!
Wie lang sie gedauert hatte, wusste ich nicht, aber Myxin hatte mich dorthin bringen wollen, wo es passiert war, und genau an dieser Stelle verließen wir den Zeit-Tunnel.
Sand, weicher Sand. Wasser in der Nähe. Ein Strand, wie es mir gesagt worden war. Ich sah den prächtigen Himmel in einer tiefblauen Farbe schimmern, ich fühlte mich noch leicht benommen, und erst die Stimme des kleinen Magiers riss mich wieder in die Realität zurück.
»Es gibt Verbindungen zwischen Kara und mir, die man schlecht erklären kann. Du weißt, dass sie existieren, und wenn ich dir sage, dass sie hier gewesen ist, dann musst du mir glauben. Ich betone ›hier gewesen‹ ist, denn sie ist wieder verschwunden. Ich bin sicher, dass du hier weiterkommst, ansonsten werden wir auch suchen, denn Gryx darf nicht zurückkehren, denke immer daran.«
»Natürlich…«
Myxin trat von mir zurück. Er stand im Gegensatz zu mir noch immer in diesem Tunnel. Um seinen Körper herum zirkulierte ein kaum erkennbarer Schleier, und ich sah, wie der kleine Magier die rechte Hand halb anhob, dann war er plötzlich weg.
Ich blieb allein zurück, aber ich fühlte mich nicht allein, denn ich war froh, wieder in meiner normalen Welt zu sein.
Aber ich war nicht allein. Ich kam auch nicht zum Nachdenken, denn hinter
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