1229 - Das Vogelmädchen
bewegte sich der mächtige Vogel in die Luft und ließ diejenige am Boden zurück, die ihm mit dem goldenen Schwert nachwinkte.
Maxine hatte gedacht, dass es zum Kampf zwischen den beiden Personen kommen würde, aber danach sah es nicht aus, zumindest vorerst nicht, denn auch der mächtige Adler suchte den Schutz der Dunkelheit.
Carlotta sank langsam wieder nach unten. Sie hielt Maxine auch jetzt fest, und die Ärztin hörte das leise Lachen über ihrem Kopf. Es klang gut und erleichtert. Als hätten sie alles hinter sich, was Maxine nicht glaubte. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass die Blonde und der Riesenvogel so mir nichts dir nichts verschwanden, ohne etwas erreicht zu haben.
Jedenfalls war er nicht zu sehen und hinein in den tintenblauen Himmel getaucht.
Kara stand am Strand. Sie hielt den Kopf in den Nacken gedrückt und blickte ebenfalls in den Himmel hinein, um die beiden Flüchtlinge zu verfolgen. Auch sie sah sie nicht, und die Hand mit dem goldenen Schwert sank nach unten, als Maxine und Carlotta nach einer weichen Landung vor ihr stehen blieben.
Die Ärztin atmete tief durch. Jetzt merkte sie schon, wie stark sie zitterte, und sie war froh, von ihrem Schützling festgehalten zu werden. Die Lippen hatte sie zu einem Lächeln verzogen, denn auch die dunkelhaarige Frau läche lte sie an.
»Ich heiße Kara…«
Maxine zuckte unwillkürlich zurück. Sie konnte es kaum glauben, dass in ihrer Sprache geredet worden war. Bisher hatte sie nur die fremden Worte der Blonden vernommen, und diese seltsame Frau, die ebenfalls wie aus dem Nichts gekommen war, konnte plötzlich in ihrer Sprache sprechen?
»Ja, ich…«
»Wer bist du?«
»Maxine. Maxine Wells…« Sie legte eine Hand auf die Schulter der neben ihr stehenden Carlotta. »Das ist mein Schützling«, stellte sie das Vogelmädchen vor, »aber eigentlich ist es anders, denn in der letzten Zeit hat sie mich beschützt.«
»Das habe ich gesehen.« Die dunkelhaarige Frau mit dem fein geschnittenen Gesicht konzentrierte sich auf Carlotta und schaute sie sehr intensiv an, was dieser jedoch nicht unangenehm war, denn es war kein böser und hinterlistiger Blick.
Nach einer Weile schüttelte Kara den Kopf und sagte einen Satz, der nicht so einfach zu begreifen war.
»Nein, ich denke, dass du keine von uns bist, obwohl…« Sie hob die Schultern, schüttelte dann aber den Kopf und schwieg.
Carlotta und die Ärztin schauten sich an. Sie begriffen beide nichts, und Carlotta fragte schließlich: »Was kann sie damit gemeint haben?«
»Ich habe wirklich keine Ahnung.«
Das Vogelmädchen war forscher. Es ging einen Schritt vor und sagte: »Warum hast du das gesagt, Kara? Wieso sind wir keine von euch oder so ähnlich?«
»Kennst du Atlantis?«
»Nein.«
»Das ist meine Heimat.«
Maxine hatte zugehört, und sie mischte sich jetzt ein. »Atlantis«, flüsterte sie, »das ist doch ein Kontinent, den es nicht gegeben hat, wie viele Menschen behaupten…«
»Dann irren sie sich.«
Maxine wollte nicht diskutieren und sie fragte: »Du kommst wirklich aus diesem Kontinent?«
»Ja.«
Sie sagte nichts mehr. Sie glaubte mittlerweile alles. Auch das, was sie vor sieben Monaten noch nicht für möglich gehalten hätte. In dieser Zeit hatte sich ihr Weltbild verändert, und der Riesenvogel mit der blonden Frau war auch kein Märchen gewesen.
»Und die beiden anderen stammen auch dorther?«
»Ja«, erwiderte die Schöne aus dem Totenreich. »Sie sind ebenfalls Atlanter, wenn du so willst.«
»Aber wie kamen sie hierher.«
»Es ist ein Zeitsprung gewesen.«
»Wie bei dir?«, flüsterte Maxine hastig.
»Ja, wie bei mir.«
Die Ärztin schloss für einen Moment die Augen. »Ich begreife es nicht«, murmelte sie. »Nein, es ist nicht zu fassen. Ich komme nicht mehr mit. Das ist zuviel und…«
»Es gab bei uns ebenfalls Vogelmenschen«, erklärte Kara, »das wussten auch Sina und Gryx.«
»Ist das der Vogel?«
»So heißt er.«
Maxine Wells schaute wieder auf ihren Schützling. Sie begriff wenig, aber ihr war klar, dass die schöne Frau vor ihnen so etwas wie eine Lebensretterin gewesen war, und dafür wollte sie sich bedanken, aber Kara erstickte ihre Worte schon im Keim. Was sie sagte, machte die beiden nicht eben froh.
»Noch ist es nicht vorbei. Es kann sein, dass die Zwei wieder zurückkehren. Darauf sollten wir gefasst sein.«
»Ja«, antwortete Carlotta und nickte, als wäre es das Normalste auf der Welt. »Aber wir könnten inzwischen
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