1231 - Im Würgegriff des Grauens
danach. »Nur ein Klient.«
»Den Sie kannten?«
»Ja.«
»Dann haben Sie ihm abgesagt?«
»So ist es.« Jennifer schob ihren Stuhl zurück. Ein Zeichen, dass sie nicht mehr länger am Schreibtisch sitzen wollte. Sie stand auch mit einem Ruck auf, der uns als eine entschlossene Geste vorkam, als hätte sie sich für etwas Bestimmtes entschieden.
»Was haben Sie vor?«, fragte ich.
Sie lächelte etwas gequält. »Als Mensch muss man mal zur Toilette. Und dort wollte ich hin.«
»Kein Problem. Wo ist das?«
»Draußen. Es gibt da zwei Türen. Dem Fahrstuhl gegenüber. Haben Sie sie nicht gesehen?«
»Nein, sie sind uns nicht aufgefallen. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Sie begleite?«
Im ersten Moment war sie irritiert. »Aber doch nicht bis auf die Toilette, Mr. Sinclair.«
»Nein, nein, das nicht.«
»Gut, wie Sie wollen.« Sie bückte sich noch einmal und nahm eine schmale Handtasche aus dunklem Leder hoch. Mit der linken Hand hielt sie den Griff umfasst und strebte der Tür entgegen.
Als ich ging, fing ich noch Sukos Blick auf, der recht viel Skepsis zeigte. Aber wir konnten der Frau auch nicht verbieten, auf die Toilette zu gehen. Ich wollte nur nicht, dass sie in den Lift stieg und plötzlich verschwand.
Sie sprach kein Wort, als sie neben mir herging. Dann öffnete sie die Tür mit der Aufschrift »Ladies« und war meinem Blickfeld entschwunden. Ich wollte zurück zu Suko, doch er war mir gefolgt und wartete auf der Türschwelle auf mich.
Ich kannte ihn gut und nahm auch seinen bestimmten Gesichtsausdruck wahr. »Probleme?«
»Nicht direkt, John, aber ich mache mir Gedanken über den Anruf. Glaubst du daran, dass es ein Patient gewesen ist?«
»Es fällt mir schwer.«
»Eben.«
»Du denkst an Barker?«
»An wen sonst?«
»Was könnte er ihr gesagt haben?«
Mein Freund hob die Schultern. Dann sagte er: »Schon einmal stand sie unter der Kontrolle dieses Mannes. Ich könnte mir vorstellen, dass dies nicht das letzte Mal gewesen ist.«
»Er hat sie also wieder?«
Suko zuckte die Achseln.
Was ich von meinem Freund gehört hatte, war nicht so leicht von der Hand zu weisen. Einer wie Dr. Barnabas Barker gab so leicht nicht auf. Der zog alles bis zum bitteren Ende durch, und dieses Ende hatte er noch nicht erreicht.
Ich ging auf die Tür zu, hinter der die Frau verschwunden war. Ein Anklopfen sparte ich mir, öffnete sie sehr leise und schaute in einen kleinen Waschraum hinein.
Auch er hatte sich der übrigen Umgebung angepasst, denn er war sehr edel eingerichtet worden. Die beiden Waschbecken leuchteten in einem Lindgrün, die Hähne blitzten vor Sauberkeit, und auch auf dem Boden war kein Fußabtritt zu sehen.
Die eigentlichen Toiletten lagen hinter zwei Türen. Beide waren verschlossen. Wir konnten uns aussuchen, hinter welcher Jennifer Flannigan steckte.
Suko, der gekommen war und dicht neben mir stand, schüttelte den Kopf. »Es ist mir einfach zu ruhig, John.«
»Mir auch.«
»Ruf sie mal.«
»Jennifer…?«
Wir bekamen keine Antwort. Auch nicht, als Suko ihren Namen erneut und lauter rief.
»Da stimmt was nicht.«
Auf dem Rücken hatte ich das Gefühl, von einer Rasierklinge gestreift zu werden. Wir warfen alle Konventionen über Bord und nahmen uns die beiden Türen vor.
Meine konnte ich aufziehen und schaute in eine leere Toilettenkabine hinein. An einer Wand hing ein Duftspray, das ständig für frische Luft sorgte. Ich hatte eher das Gefühl, dass es der Duft des Todes war.
Neben mir rappelte Suko an der Klinke. Er hatte keinen Erfolg damit. Die Tür war von innen verschlossen worden.
»Jennifer!«, rief er noch einmal, trat aber schon zurück, um Anlauf nehmen zu können.
Für einen kurzen Moment wurde es wieder still. Aber das Stöhnen hörten wir trotzdem. Es war hinter der verschlossenen Tür hervorgedrungen. Zugleich war es auch ein Startsignal für uns, denn nun konnte uns nichts mehr halten.
Toilettentüren sind stabil. Ich konnte nur hoffen, dass dies hier nicht so sehr der Fall war. Deshalb versuchten wir es auch gemeinsam.
Der kurze Anlauf, dann der Aufprall!
Wir machten Krach, die Tür zitterte, aber sie hielt auch.
Für irgendwelche Diskussionen war nicht die Zeit. Deshalb unternahmen wir einen erneuten Anlauf, und diesmal wuchten wir nicht unsere Körper gegen den Widerstand aus Holz, sondern traten mit heftigen Tritten dagegen.
Diesmal hatten wir Erfolg.
Das Holz splitterte und riss im unteren Bereich, gegen den ich getreten hatte. Suko hatte sich
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