1231 - Im Würgegriff des Grauens
Mensch aus, der unter Schmerzen litt, es aber nicht schaffte, darüber zu sprechen. Es drangen uns nur immer leise, krächzende Laute entgegen, begleitet von heftigen Atemstößen.
Um ihren Mund herum sah ich ebenfalls die roten Flecken, die ich mit vorsichtigen Bewegungen abtupfte, Jennifer dabei anlächelte, was sie jedoch kaum registrierte.
Sie war nur noch ein Nervenbündel, aber sie war wieder normal und richtete ihren Hass nicht mehr gegen sich.
Ich nickte Suko zu. Er hatte sich wieder bis zur Tür zurückgezogen und schaute mich an.
»Danke«, sagte ich.
»Wofür?«
»Du hast sie gerettet.«
»Unsinn.«
»Das stimmt schon. Wenn du nicht gewesen wärst, dann hätte sie es geschafft.«
»Der Stab - oder?«
»Ja«, wiederholte ich. »Es ist der Stab gewesen. Wie schon einmal. Er ist es, der Jennifer gerettet oder erlöst hat. Sie stand unter einem fremden Einfluss, Suko, daran gibt es nichts zu rütteln. Du hast sie erlöst.«
»Das magische Wort«, sagte er und schüttelte dabei den Kopf. »Ich kann es kaum glauben.«
»Es ist aber so. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.«
Auch Suko war damit einverstanden, aber er wies auf etwas anderes hin. »Du denkst an den Anruf, nicht wahr?«
»Richtig. Er war der Auslöser. Fernhypnose. Oft reicht nur ein bestimmtes Codewort aus, um sie wirksam werden zu lassen. Das hat er geschafft, Suko, damit müssen wir uns abfinden.«
Mein Freund nickte nur. Er war geschockt, ebenso wie ich.
Uns beiden war klar geworden, dass Dr. Barnabas Barker keine Rücksicht kannte. Menschenleben zählten für ihn nicht. Er war auch als Mensch eine Bestie, und er wusste noch einen mächtigen Helfer im Hintergrund, den Spuk. Mir fiel auch wieder das graue Gesicht im Spiegel ein, und ich fragte mich, was dahinter steckte.
Jennifer Flannigan saß steif auf der Toilette. Ihr Gesicht sah aus wie falsch geschminkt. Als hätten Kinder versucht, sie anzumalen. Von ihrem perfekten Make-up war nichts mehr zu sehen, und beide hörten wir, wie sie immer wieder nach Luft schnappte.
Hier wollten wir nicht bleiben. Jennifer brauchte einen Arzt, der ihre Wunden fachmännisch verband. Aber wir brauchten etwas anderes. Informationen, und die konnte uns nur Jennifer geben. Sie arbeitete mit Barker zusammen.
Als ich sie anschaute, hob auch sie den Kopf an. Verweinte Augen, zerlaufene Schminke im Gesicht, das alles konnte man vergessen. Es waren nur Äußerlichkeiten. Für sie allein zählte, dass sie lebte.
»Es ist nicht eingetreten«, sagte ich leise zu ihr. »Der Tod hat noch einmal einen Bogen um Sie gemacht.«
Die Frau schaute mich verständnislos an. Ich glaubte nicht, dass dieser Blick gespielt war. Nach einigen Sekunden erfasste sie, was ich ihr da gesagt hatte, und sie zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht mal, was genau passiert ist. Es ist weg, verstehen Sie. Mir fehlt eine gewisse Zeit.«
»Sie können sich also nicht erinnern?«
»Nein.«
»Wir werden trotzdem darüber reden müssen. Aber nicht hier, sondern im Büro. Kommen Sie.« Ich streckte ihr die Hand entgegen, die sie dankbar nahm. Dann ließ sie sich von mir in die Höhe ziehen. Das Handtuch war so um ihren Hals gewickelt worden, dass es nicht abfiel. Wie ein kleines Mädchen führte ich sie aus der Kabine durch den Flur und dann hinein in das Vorzimmer, dessen Tür Suko uns aufhielt.
Jennifer Flannigan schaute sich um, als wäre ihr alles fremd.
Sie zog die Schultern hoch und betrachtete auch ihre Hände, von denen das Blut nicht ganz abgewischt werden konnte. Es lag noch immer wie ein rosafarbener dünner Schleier auf der Haut.
Sie setzte sich wieder in den Sessel und schaute ins Leere.
»Noch einen Schluck?«, fragte Suko.
»Ja, danke.«
Suko fand auch ein Glas. Er kippte Whisky hinein, dann drückte er es ihr in die zittrigen Hände.
Jennifer trank langsam. Sie hüstelte dabei, aber sie schaffte es, das Glas zu leeren. Es wäre ihr beinahe aus den Händen gerutscht. Im Nachfassen konnte sie es noch halten.
»Ich hoffe, Jennifer«, sagte ich, »dass Sie sich wieder erinnern. Es ist für uns alle wichtig. Wir müssen Ihrem Chef das Handwerk legen, auch wenn Sie es noch nicht nachvollziehen können, aber Menschen wie er sind gefährlich und sollten nicht auf andere losgelassen werden. Auch wenn Sie das vielleicht anders sehen, aber denken Sie daran, was mit Ihrem Hals passiert ist und…«
»Aber er ist nicht hier.«
»Körperlich nicht«, sagte Suko.
Jennifer legte eine kurze Pause ein. »Und was
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