1233 - Der Kunst-Vampir
Licht. Es gab dort tatsächlich so etwas wie einen Medikamentenschrank, dessen Tür ich aufzog und mir aussuchen konnte, womit ich meine Wunde versorgte.
Ich holte Pflaster und Mull hervor. Dann erst nahm ich das Taschentuch vom Hals und schaute mir die Wunde genauer an.
Im Spiegel zeichnete sich der rote Streifen am Hals ab. An den Rändern war er blutig und wirkte an manchen Stellen wie ausgefranst.
Erst jetzt, als meine Spannung allmählich abflaute, spürte ich das verdammte Brennen. Mein gesamter Hals schien in eine Säure getaucht zu sein. Ich war froh, dass mir nicht zu viel Blut in den Kragen gelaufen war. Mich selbst zu verbinden, hätte ich noch geschafft, aber das ließ Dagmar Hansen nicht zu. Sie hatte das Bad betreten und sagte, als ich nach dem Verbandszeug greifen wollte: »Lass mich das mal machen, John. Das klappt besser.«
Ich war tatsächlich froh, dass man sich um mich kümmerte.
Mit dem Rücken zum Spiegel blieb ich stehen, während Dagmar eine Salbe aus dem Medikamentenschrank auftrug, die desinfizierte, und dann den Verband anlegte, den sie mit einigen Pflasterstreifen befestigte, damit er auch hielt.
Die Salbe hatte wieder für ein erneutes Brennen gesorgt, und ich verzog das Gesicht.
Dagmar musste lachen. »Ja, ja«, sagte sie dann, »wenn Männer anfangen zu leiden…«
»Hör auf. Ich beklage mich ja nicht.«
»Aber du freust dich auch nicht.«
»Würdest du das denn tun?«
»Nein.«
Dagmar prüfte noch mal den Verband, schaute mich dann an und fragte: »Wie geht es weiter?«
Ich ließ mich auf dem Rand der Wanne nieder. Ungefähr dort, wo auch die Vampirin gesessen hatte. »Die Dinge sind ja wegen dieser Ausstellung passiert. Es liegt auf der Hand, dass ich sie mir anschauen werde.«
Dagmar nickte, fragte aber zugleich: »Ohne den Kunst-Vampir?«
Ich schaute zu ihr hoch. Bei jeder Bewegung des Kopfes strahlte die Wunde am Hals Schmerzen aus. »Kann es nicht möglich sein, dass er wieder an seinen Platz zurückgekehrt ist?«
»Das glaube ich nicht, John. Er hat jetzt die Freiheit, die er braucht, und kann sich in der Stadt austoben. Wir müssen uns die Frage stellen, wen er sich als nächstes Opfer holt.«
»Ich hoffe, keinen. Dafür werden wir sorgen.« Mit einer entschlossenen Bewegung stand ich auf. Bevor ich Dagmar den weiteren Schritt erklärte, horchte ich erst in die Wohnung hin und konzentrierte mich auch auf das Treppenhaus.
Weder in unserer Nähe noch von außerhalb war etwas zu hören. Es war geschossen worden, doch niemand im Haus hatte das gestört. Keine Meldung, kein Anklopfen, auch keiner, der die Polizei gerufen hätte, denn Sirenen in der Nähe waren nicht zu hören.
Dagmar war mein nachdenklicher Gesichtsausdruck aufgefallen. »Worüber grübelst du nach?«
»Das will ich dir sagen. Ich denke nicht, dass wir schon jetzt die einheimische Polizei alarmieren sollten, auch wenn hier eine Leiche liegt. Das können wir später machen.«
»Einverstanden.«
Ich starrte sie an. »Und was ist mit dir? Hast du dich mit der Polizei hier in Verbindung gesetzt?«
»Nein, die Meldungen sind bei uns in der Firma eingegangen. Sie wurden gesichtet. Man entschloss sich, etwas zu unterne hmen, aber die einheimischen Behörden wurden nicht eingeweiht. Das ist auch nicht nötig. Wir arbeiten zudem lieber im Untergrund.«
Die gleiche Antwort hätte auch ich geben können. Ich nickte Dagmar zu, die wieder versuchte, ihre rote Haarflut zu ordnen, es erneut nicht schaffte und auf ein Band zurückgreifen musste, das sie aus der Tasche holte. Danach blieben die Haare wenigstens im Nacken zusammen.
»Können wir, John?«
Ich hatte nichts dagegen, wollte sie allerdings noch auf etwas Bestimmtes hinweisen. »Bisher haben wir nur über den Vampir gesprochen und konnten sein Opfer erledigen, bevor die Nacht anbrach. Ich weiß nicht, weshalb Anita Köhler ihren Mann auf so schlimme Art und Weise umgebracht hat. Möglicherweise als Demonstration, das Objekt ihres Hasses besiegt zu haben, aber wir müssen uns…«
»Darf ich dich mal unterbrechen?«
»Bitte.«
Dagmar lächelte. »Ist dir schon mal der Gedanke gekommen, dass sie es gar nicht getan hat?«
Ich legte meine Stirn in Falten und deutete dann so etwas wie ein Nicken an. »Der Gedanke ist mir tatsächlich schon gekommen, und ich wollte auch auf das gleiche Thema hinaus. Du hast mir die blonde Frau sehr genau beschrieben.«
»Das war keine Kunst.«
»Einverstanden. Aber Justine Cavallo ist in mehreren Potenzen
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