1233 - Der Kunst-Vampir
gefährlicher als dieser Kunst-Vamp ir. Das musst du mir einfach glauben. Da habe ich meine Erfahrungen sammeln können. Ich frage mich nur, in welch einer Verbindung die beiden zueinander stehen.«
»Vampire unter sich.«
»Nein, das glaube ich nicht. Selbst unter den Blutsaugern existieren Hierarchien, und die werden genau eingehalten. Wenn nicht, dann hat auch der aufbegehrende Vampir seine Existenz verwirkt. So hart kann es dort zugehen. Dass Justine ebenfalls in der Stadt ist, lässt auf einen Plan schließen, in dem selbstverständlich der Kunst-Vampir eine Rolle spielt. Justine tut nichts ohne einen bestimmten Plan, davon können wir ausgehen. Den verfolgt sie auch hier in Weimar.«
»Mit ihrem Kunst-Vampir?«
»Genau. Du hast ihn mir ja beschrieben. Wenn ich näher darüber nachdenke, ist er keine Einheit. Man hat ihn erschaffen oder auch gebastelt, und er benimmt sich wie ein normaler Blutsauger. Genau das ist es, was mir Sorgen bereitet.«
»Denkst du an eine neue Generation von Untoten?«
»Hoffentlich nicht«, erwiderte ich leise und ging als Erster von uns in Richtung Wohnungstür…
***
Es gab sie noch, die alten Häuser, die auf die Renovierung warteten, aber trotzdem nicht alle leer standen. Hin und wieder lebten noch Menschen in den Bauten, und in einer Touristenstadt wie Weimar konnte es passieren, dass leer stehende Wohnungen sogar noch für einen Spottpreis vermietet wurden.
Eine solche Wohnung hatte Justine Cavallo gesucht und auch gefunden. Sie wollte nicht auffallen, sie wollte auch in kein Hotel ziehen, sondern ziemlich für sich bleiben.
Das Haus bestand eigentlich aus zwei Hälften. Es lag jenseits des Bahnhofs in der Industriestraße und auch etwas von der Straße weg versetzt in einem fast leeren Gelände. Das heißt, es gab noch mehrere Häuser, doch aus deren zerstörten Fenster dampfte der Atem des Verfalls.
Justine Cavallo war eine besondere Blutsaugerin. Sie schaffte es, sich auch am Tag zu bewegen. Zwar fühlte sie sich da nicht so perfekt wie in der Nacht und bei der schützenden Dunkelheit, aber sie konnte sich zwischen den Menschen bewegen, ohne aufzufallen, und das war ihr sehr wichtig, denn sie fiel schon allein aufgrund ihrer körperlichen Erscheinung auf.
Um beweglich zu sein, hatte sie sich einen kleinen Polo gemietet, der auch in schmale Parklücken hineinpasste. Einen Parkplatz allerdings brauchte sie nicht zu suchen, als sie den Wagen auf das Gelände fuhr, dessen Boden alles andere als glatt war. Sie musste einige wilde Müllhaufen umfahren und lenkte den Polo dann hinter das Haus. Genau dorthin, wo sie ihn immer abstellte.
Sie stieg aus, schaute sich um und war zufrieden, weil sie nicht beobachtet worden war.
Das Haus konnte sie von zwei Seiten betreten. Wie immer entschied sie sich für die Rückseite, wenn die Tür dort auch schmaler war als die an der vorderen.
Zweimal musste sie kräftig zerren, dann konnte sie den stinkenden Flur betreten. Das Haus war zwar von seinen offiziellen Mietern verlassen worden, aber es hatten noch andere in der Zwischenzeit dort gehaust und ihre Spuren hinterlassen. Es stank erbärmlich nach alten Stoffen, nach Schimmel und menschlichen Exkrementen. Davon ließ sich die Cavallo nicht stören, obwohl sie in ihrem Outfit in diese Umgebung passte wie Kaffee in die Suppe.
Der zweite Teil des Hauses war noch verfallener. Er hatte auch nie als Unterkunft für irgendwelche Typen gedient, und deshalb hielt sich der Gestank dort auch in Grenzen.
Justine hatte sich für den bewohnbareren Teil entschieden, denn dort existierte noch ein Keller, der sich als ein ideales Versteck eignete. In einem dieser Räume hielt sich das neue Geschöpf auf. Justine selbst hatte das Versteck für ihn ausgesucht. Da er nicht mehr zurück in die Ausstellung konnte, musste er eben in der Dunkelheit des Kellers warten, was einem Blutsauger nichts ausmachte.
Um in den Keller zu gelangen, musste Justine eine alte brüchige Treppe überwinden. Es gab kein Geländer mehr. Das war entweder verfault oder abgerissen worden, um es als Brennholz zu verwenden. Eine Kellertür war ebenfalls nicht vorhanden.
Was die Menschen hatten gebrauchen können, das hatten sie sich hier geholt.
Justine ging hinein in die Dämmerung, die immer mehr zunahm, je tiefer sie kam. Es wurde fast dunkel, aber sie fühlte sich in dieser Umgebung wohl.
Normal laufen konnte sie hier unten nicht. Auch der Keller war zweckentfremdet worden. Man hatte ihn als wilde Müllkippe benutzt
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