1236 - Grauen im stählernen Sarg
anderes sehen als du?«
»Das meine ich nicht. Mir geht es um den Geruch. Ich will sicher gehen, dass ich mich nicht getäuscht habe.«
Wenn Suko mir so kam, konnte ich ihm den Wunsch nicht abschlagen und tat ihm den Gefallen. Sehr leicht ließ sich die schwere Tür nicht öffnen. Hier war überhaupt alles sehr kompakt und schwer, was wohl so sein musste, um den Stürmen widerstehen zu können.
Ich hatte nicht viel erwartet und wurde auch nicht enttäuscht.
Ein klobiger Tresen, ebenso klobige Tische und Stühle, dazu der rustikale Fußboden, auf dem die Hölzer nicht mehr glatt lagen, sondern auch an einigen Stellen gebogen und aus ihren Fugen in die Höhe gedrückt worden waren, und zwei Türen an den Seiten, die geschlossen waren, sodass ich nicht erkannte, wohin sie führten.
Das alles hatte Suko nicht gemeint. Ihm ging es um etwas anderes, was mir im ersten Moment nicht auffiel, ich auch nicht sah, weil für mich alles normal wirkte, das ich jedoch bemerkte, als ich zwei kleine Schritte in den düsteren Raum hineingegangen war. Mich störte der Geruch!
Er war so fremd, so anders und trotzdem bekannt. Denn so roch nur eine Pflanze.
Knoblauch!
In einem Restaurant oder in einem Gasthaus ist es fast normal, wenn es nach Essen und damit verbunden auch nach Knoblauch roch, doch hier lagen die Dinge anders. Dieser Knoblauchgeruch stammte nicht von einem Gericht, das in der Küche zubereitet worden war, er breitete sich überall aus und stand auch nicht in einem Zusammenhang mit irgendwelchen anderen Lebensmitteln und Gewürzen. Es war der Geruch einer frischen und normalen Knoblauchstaude.
Einige Male saugte ich die Luft durch die Nase ein und schaute mich jetzt noch intensiver um. An den Wänden hatte ich keine der hellen Stauden gesehen, doch als ich meine Blicke über die Decke gleiten ließ, da fielen sie mir auf.
Die Stauden waren dort an den dunklen Balken befestigt worden und hingen nach unten, als hätten sie den Ersatz irgendwelcher Lampen übernommen.
So etwas tat man nicht zum Spaß und auch nicht, weil man ein Knoblauch-Fan war. Das hatte seinen Grund, denn Knoblauchstauden dienten schon von Alters her als Schutz gegen Vampire.
Ich dachte wieder an den Zeugen und daran, dass er die beiden Gestalten gesehen hatte, die im Mondlicht badeten.
Vampire?
Er hatte es nicht mit Sicherheit sagen können, aber ich rechnete damit, dass sie etwas mit der Insel zu tun hatten, sonst hätte man nicht diesen Schutz aufbauen müssen.
Ich ging wieder nach draußen. Während die Tür langsam hinter mir zufiel, sah ich Sukos Blick auf mich gerichtet. »Nun, ist dir auch etwas aufgefallen?«
»Es riecht.«
»Sehr schön. Du magst doch Knoblauch.«
»Allerdings mehr im Essen und nicht als von der Decke herabhängende Stauden.«
»Das hat einen Grund.«
Ich ging zur Seite. »Schutz«, erwiderte ich und schaute mir die Fassade an. Auch dieses Haus war nicht unbedingt hoch. Es besaß ein mit Reet und Lehm sowie Steinen gedecktes Dach.
Kleinere Fenster in der ersten Etage als unten, und ich musste mich schon schwer täuschen, wenn ich hinter den Scheiben oben nicht auch die hellen Stangen gesehen hätte, die dort wie Wahrzeichen nach unten hingen.
»Dann sag mal was«, forderte Suko mich auf.
Ich zuckte mit den Schultern. »Kann es sein, dass die Menschen hier Angst vor Vampiren haben?«
Klar hatten sie Angst. Ich hatte die Frage auch nur wie nebenbei gestellt. Uns war der Grund schon klar. Suko war der Ansicht, dass man eine Justine Cavallo nicht durch irgendwelche Knoblauchstauden in ihren Aktivitäten behinderte. Da musste man schon andere Mittel einsetzen. Auch dann war es fraglich, ob man gewann.
»Denkst du auch an Justine, John?«
»Ja.«
»Ich höre.«
Meinen Blick senkte ich wieder und schüttelte dabei den Kopf. »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sich eine Justine Cavallo diese Insel als Basis oder als Ruhepol ausgesucht hat. Das passt nicht. Sie ist dazu eine zu… na ja, ich weiß auch nicht. Aber die Einsamkeit passt nicht zu ihr. Ebenso wenig wie die in der verdammten Vampirwelt. Wenn man sie hier trifft, muss das schon einen besonderen Grund haben.«
»Hat es auch.«
»Und welchen?«
»Sie will mit einem ihrer Artgenossen zusammen sein.«
Ich winkte ab. »Glaub nur das nicht, Suko. Nein, nein, so weit geht die Liebe nicht. Das glaube ich nicht. Sie geht immer ihren eigenen Weg. Ob hier auf der Insel ein Vampir hockt, das interessiert sie nicht und…«
»Anscheinend doch.
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