1241 - Der Mördermönch von Keitum
das haben Sie nicht geträumt. Es hat den Mönch gegeben, und jetzt ist er wieder verschwunden. Er kehrte ein in das Reich der absoluten Schwärze, in dem es einen Herrscher gibt, der sich Spuk nennt. Er hat sich seiner Seele bemächtigt. Er muss eingegriffen haben, als dieser Mönch auf die Insel geschafft und eingemauert wurde, um dann zu sterben. Er hat sich seine Seele geholt und sie in sein Reich integriert, und er hat dafür gesorgt, dass der Körper nicht verweste, sondern versteinerte.«
Die Frau hatte mir zugehört, ohne mich zu unterbrechen. Nun schüttelte sie den Kopf. In ihrem Gesicht malten sich Erstaunen und Unglauben zugleich ab.
»Und Sie glauben wirklich an das, was Sie mir da gesagt haben, John? Oder war das nur so dahin geredet?«
»Nein, das war es nicht. Ich habe nur nach einer Erklärung gesucht und mir eine zurechtgelegt, die vorläufig noch passt. Ob ich damit ins Schwarze getroffen habe, weiß ich nicht, aber die Schwärze ist in diesem Fall wichtig, wenn auch in einem anderen Zusammenhang.«
»Erklärt das die drei Toten?«, fragte Silke.
»Leider nicht«, erwiderte ich, »aber es ist möglicherweise ein Anfang. Der Mönch war schließlich als Frauenheld bekannt. Man hat ihn ja nicht grundlos verstoßen. Daran müssen wir auch denken. Ich weiß nicht, ob er in seinem normalen Leben Frauen getötet hat, aber es könnte so gewesen sein. Und genau das hat er in seiner neuen Existenz auch nicht vergessen.«
»Er macht also dort weiter, wo er aufgehört hat.«
»So kann man es sehen.«
»Und warum hat man ihn damals nicht getötet?«, fragte Silke. »Ich meine, direkt getötet?«
»Keine Ahnung. Er war ein Kirchenmann, und die Kirche wollte unter Umständen ihr Gesicht wahren. Also hat man sich ihm auf eine andere Art und Weise entledigt und ihn den Menschen hier auf der Insel überla ssen. Sie haben ihn dann auf ihre Art und Weise vernichtet. So kann es unter Umständen gelaufen sein.«
»Und jetzt ist er wieder da«, flüsterte Silke vor sich hin. »Und macht da weiter, wo er aufgehört hat. Er ist also nicht normal gestorben. Man hat ihn ge holt. Ein Dämon, eine Gestalt, den Sie Spuk nennen, hält seine Seele gefangen, lässt ihn aber wieder frei.« Sie legte den Kopf zurück und begann zu lachen.
»Das ist doch unglaublich. Tut mir Leid, aber das kann ich nicht kapieren.«
»Und ich kann Ihnen nicht mal einen Vorwurf machen, Silke.«
Sie lachte wieder. »Was ich hier gesehen habe, das kann ich gar nicht erzählen. Das würde mir niemand glauben. Das ist unfassbar, und Sie haben Tag für Tag mit ähnlichen Phänomen zu tun. Oder nicht?«
»So ist es.«
Sie schüttelte sich. »Grauenhaft. Ich glaube, ich würde irgendwie durchdrehen.«
»Man gewöhnt sich an alles. Sogar an die Gefahr, die einen Menschen tagtäglich umgibt.« Ich räusperte mich. »Leider ist der Fall mit dem Verschwinden des Mönchs nicht gelöst.«
»Sie meinen, dass er wiederkommt?«
»Ja.«
»Um weiter zu morden?«
»Wir müssen davon ausgehen.«
Silke von Weser ballte die Hände zu Fäusten. »Aber warum lässt er seine Opfer so schrecklich aussehen? Was haben sie gesehen? Was haben sie erlebt? Sie sind sogar als Menschen zurückgekehrt und starben erst dann richtig. Warum? Was waren sie?«
»Ich kann es Ihnen nicht sagen, noch nicht.«
»Haben Sie auch keine Vermutung?«
»Das bringt nichts. Ich nehme an, dass er sich auf seine Art und Weise mit ihnen beschäftigt hat. Er hat sie in eine andere Welt geschafft. In eine Welt, die für uns nicht sichtbar ist, die aber existiert. In ein Pandämonium…«
»Ja«, flüsterte sie. »Ja, das ist alles okay für Sie, aber nicht für mich. Das sind Begriffe, mit denen ich beim besten Willen nichts anfangen kann. Ich nehme es einfach hin. Ich weigere mich auch, es zu begreifen. Außerdem weiß ich, dass ich es nicht begreifen kann. Es ist zu hoch für mich.« Sie trat hart auf den Boden und schaute gegen das Haus. »Aber an eines glaube ich schon. Dieser Mörder-Mönch wird nach Keitum zurückkehren und hier weitere Leichen hinterlassen. Falls man ihn nicht stoppen kann.«
»Genau das werde ich versuchen.«
»Und wie?«
Ich lächelte etwas bissig. »Er wird kommen, Silke, und ich werde ihn erwarten.«
»Sie?« Unwillkürlich wich sie einen Schritt zurück.
»Ja. Wer sonst?«
»Pardon. Das ist mir nur so herausgerutscht.« Sie strich mit einer nervösen Bewegung durch ihr Haar. »Ich denke, dass ich mich jetzt zurückziehen werde.«
»Daran möchte
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