1241 - Der Mördermönch von Keitum
ergreifen.
Trotz ihrer Angst sah sie alles verdammt deutlich. Die Todesfurcht schien ihre Sinne geschärft zu haben, sonst hätte sie die Einzelheiten kaum wahrgenommen, die ihr jetzt auffielen.
Sogar die Falten in dem angeblichen Steingewand fielen ihr auf. Sie sahen heller aus als die übrige Umgebung und sie glaubte sogar, die grüne Farbe erkennen zu können. Aber es gab noch das Gesicht! Nein, das Nichtgesicht. Das verdammte Oval mit der tiefen Schwärze, die auf der normalen Welt gar nicht vorkam. Aber sie war hier. Die Gestalt hatte sie aus der Hölle mitgebracht, und genau sie war der Mittler zwischen ihnen beiden.
Während sich die Frau nicht bewegte, nahm der Mönch Kontakt zu ihr auf. Er schickte ihr etwas von sich selbst, und genau dieses für sie nicht zu definierende Etwas jagte ihren Herzschlag in die Höhe und machte sie fast krank. Silke konnte sich noch immer nicht vorstellen, woher diese Gestalt gekommen war. Aber sie war da, und daran gab es keinen Zweifel.
Außerdem war sie mit diesem verfluchten Unhold allein. Von der Straße her fuhr auch kein Wagen über die Zufahrt, um auf dem Parkplatz abgestellt zu werden, das alles war in weite Ferne gerückt und kam ihr vor wie von dem Unheimlichen gelenkt.
Und dann bewegte er sich. Auch das lief anders ab als bei einem gewöhnlichen Menschen. Der Mörder-Mönch schien gewisse Startprobleme zu haben, weil er zunächst aus einer gewissen Starre erwachen musste. Das passierte nur langsam, und trotzdem erhielt Silke nicht die Chance zur Flucht.
Sie stand einfach unter dem Bann des Fremden. Unter dem Eindruck des Nichtgesichts, das trotzdem etwas ausstrahlte, dem sie auch beim besten Willen nicht entkommen konnte.
Sie zitterte.
Urplötzlich, als hätte ihr jemand einen Schwall eiskaltes Wasser über den Kopf gekippt. Es waren die ersten Bewegungen, doch sie gaben keinen Anlass zur Hoffnung, denn es war ihr nicht einmal möglich, einen Schritt nach vorn oder nach hinten zu gehen.
Dann geschah etwas.
Die Stille wurde von einem Geräusch unterbrochen, das der Frau sehr bekannt vorkam. Im ersten Augenblick wusste sie nicht, wo sie es einordnen sollte, dann aber sah sie, dass sich hinter der Gestalt etwas bewegte und sich dort auch das Licht verändert hatte.
Jemand verließ das Haus.
Er ging den normalen Weg. Silke wollte schreien und den Gast auf sich aufmerksam machen, aber es kam alles anders.
Sie hörte einen Schrei, und noch in der gleichen Sekunde stürzte sich der Mann dem verdammten Mörder-Mönch entgegen…
***
Andy Brass wusste selbst nicht, aus welchem Grunde er so schnell handelte. Wahrscheinlich war in ihm der Beschützerinstinkt geweckt worden, und was nun folgte, das musste er einfach durchziehen.
Die Distanz zwischen ihm und dem Mönch war keine Rede wert. Brass lief noch zwei Schritte nach vorn, und während dieser Bewegung wurde ihm bewusst, dass er dabei war, etwas zu tun, was er noch nie in seinem Leben getan hatte.
Es ging hier nicht um irgendeinen Spaß, um ein lockeres Einmischen, Andy ahnte, dass es genau auf ihn ankam, ob die Frau gerettet wurde oder nicht.
Er dachte auch nicht an die Gefahr, die ihm drohen konnte, er stieß sich nach dem zweiten Schritt ab wie ein Schwimmer auf dem Startblock, streckte die Arme vor und rammte beide Fäuste in den Rücken der Gestalt, weil er sie so aus dem Weg räumen wollte.
Es war nicht zu schaffen!
Brass hörte sich selbst schreien. Er hatte den Eindruck, gegen eine Wand geschlagen zu haben. Seine Fäuste brannten vor Schmerzen. Für einen Moment kam ihm in den Sinn, sich etwas gebrochen zu haben, aber er bekam nicht die Zeit, darüber weiter nachzudenken, denn er rutschte ab und prallte neben der Gestalt zu Boden.
Brass landete nicht auf dem Rücken, sondern auf der rechten Schulter. Mühsam bewegte er den Kopf, damit er an der Gestalt in die Höhe schauen konnte.
Der Mönch bewegte sich jetzt auf eine langsame und schwerfällige Art und Weise. Er drehte sich nach rechts und zugleich hob er etwas an, das bisher unter der Kutte verborgen war.
Es konnte ein Bein, ein Fuß gewesen sein, das bekam der Mann am Boden nicht so genau mit. Aber es gelang ihm auch nicht, sich schnell genug aus der Gefahrenzone zu drehen, weil er noch zu sehr auf seine Schmerzen in den Händen achtete.
Der Tritt erwischte ihn in der Seite!
Brass wusste nicht, ob die Geräusche von ihm stammten, die ihn begleiteten, als er sich mehrmals um die eigene Achse drehte und dabei über den Boden rollte. Er
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