1244 - Die Besucher
Weg führte tatsächlich leicht bergan. Wir bekamen Sicht auf eine große Schafweide mit den dunklen Ställen dahinter.
Weiter im Süden standen einige Felsberge wie bizarre, heruntergelassene Gardinen, gegen die noch das helle Licht der Sonne tupfte. Das Gras hatte seine Farbe verändert und sah aus wie ein grauer Teppich.
Maxines Gesicht hatte einen nachdenklichen Ausdruck angenommen. Auch für sie stand jetzt fest, dass wir hier in Kiltegan Probleme bekommen konnten. Bevor sie allerdings etwas sagte oder ich eine Frage stellen konnte, lachte sie auf und wies mit der Hand nach vorn.
»Da ist Germaine. Sie muss uns bereits gesehen haben.«
Maxine meinte damit eine Frau, die ihr Haus verlassen hatte, auf der Straße stand und winkte. Schon aus der Entfernung war zu erkennen, dass sie blondes Haar besaß, mit dem der Wind spielte. Sie trug einen hellen Pullover und eine etwas dunklere Hose und sie schien erleichtert zu sein, uns endlich zu sehen.
»Das tut gut, John.«
»Wieso?«
»Na ja, ich hatte mir unsere Ankunft schlimmer vorgestellt.«
»Wie denn?«
»Dass Germaine seelisch krank im Bett liegen würde, weil sie all das nicht so verkraftet hat. Aber ich scheine mich geirrt zu haben. Und das ist auch gut so.«
Wir hatten kaum gehalten, als Germaine Duc bereits die Fahrertür aufriss und ihre alte Freundin fast aus dem Wagen zerrte. Beide Frauen umarmten sich, so dass ich mir Zeit lassen konnte, den Jeep in aller Ruhe zu verlassen.
Schließlich wurde auch ich vorgestellt und ebenfalls umarmt.
Germaine Duc war mir von Beginn an sympathisch. Sie hatte einen offenen Blick, aber das Lächeln wirkte schon ein wenig aufgesetzt, und es war auch zu sehen, dass sie geweint hatte.
Sie war etwas kleiner als Max, dafür rundlicher, trug die Haare länger und hatte sich einige Strähnen in das dunkle Blond hineinfärben lassen, die wie graue Fäden wirkten.
Ihr Haus war nicht groß, aber es unterschied sich doch etwas von den meisten anderen, die wir gesehen hatten. Auf mich wirkte es gepflegter. Die Außenseiten waren hell gestrichen worden und Risse in den Mauern sah ich nicht. Auch das Dach war in Ordnung. Dort reihten sich kleine, graue Dachpfannen aneinander.
Maxine bestand darauf, dass Germaine und ich uns duzten und dann gingen wir endlich ins Haus.
Ich ließ die beiden Frauen vorgehen, die miteinander sprachen und zu stark mit sich selbst beschäftigt waren, als dass sie für die Umgebung einen Blick gehabt hätten.
Ich hatte die Aussagen des Fahrradflickers nicht vergessen, drehte mich und schaute noch mal zurück.
Da stand er.
Und er war nicht allein.
Vier Männer hatten sich auf der Straße versammelt und blickten hoch zum Haus hin. Selbst im Licht der Sonne wirkte ihre Haltung feindlich und aggressiv.
Mit einem Kommentar hielt ich mich zurück und folgte den beiden Frauen ins Haus, wo es nach Kaffee duftete und auch nach frischem Gebäck, das in zwei Schalen verteilt auf dem Tisch im Wohnzimmer stand.
Maxine und Germaine setzten sich zusammen auf die Couch.
Für mich blieb ein Sessel übrig. Wir hatten die Reise hinter uns, waren am Ziel, angelangt, und jetzt war ich gespannt, wie es weitergehen würde…
Der Kaffee war gut, das Kleingebäck schmeckte ebenfalls und in der ersten halben Stunde redeten nur die beiden Frauen über alte Zeiten und wie toll sie doch gewesen waren. Die Vergangenheit sieht in der Rückschau immer verklärter aus. Da ich mich aus dem Gespräch heraushielt, konnte ich mir das Wohnzimmer anschauen, das mit hellen gemütlichen Möbeln eingerichtet war.
Dass Germaine einen Sohn hatte, darüber wurde nicht geredet und Kevin tauchte auch nicht auf. Es konnte sein, dass er in der Schule war und erst später zurückkam, aber ich wollte meine Neugierde nicht zu offen zeigen und hielt deshalb den Mund.
Schließlich kamen wir doch auf das eigentliche Thema zu sprechen, und es war Maxine, die den Anstoß gab. Sie schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und erzählte dann, was wir auf der Hinfahrt bereits im Ort gehört hatten.
»Willst du hier wirklich wegziehen, Germaine?«
»Nein und ja. Ich muss.«
»Wieso?«
Germaine beugte sich vor. »Man will mich nicht mehr hier im Ort haben. Ich soll weg. Raus. Der Bürgermeister hat mir bereits ein Angebot gemacht. Er will mein Haus kaufen, und ich soll so schnell wie möglich ausziehen, und das noch in diesem Jahr.« Sie nickte uns heftig zu. »So sieht die Sache aus.«
»Das habe ich nicht gewus st«, flüsterte Maxine und
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