1244 - Die Besucher
schließlich dabei sein.«
»Ja, das möchte ich auch.«
Tief durchatmen. Es tat gut, dass wir die Dinge ins rechte Lot gebracht hatten. Ich drehte mich um, weil ich noch einen Blick durch das Fenster werfen wollte. Mir fiel die huschende Bewegung auf der Straße auf. Ein Schatten, der schnell verschwand. Wobei es sicherlich kein Außerirdischer war, sondern jemand, der das Haus beobachtete. Ich hatte nicht vergessen, wie wenig freundlich man über Mutter und Sohn gesprochen hatte. Und das Angebot des Hauskaufs kam auch nicht von ungefähr. Hier braute sich etwas über Germaines Kopf zusammen, und es war nicht nur der Ärger um die geheimnisvollen Wesen.
Ich ging zum Fenster, blickte hinaus, drehte dabei auch den Kopf, doch ich sah nichts, was verdächtig gewesen wäre. Es blieb alles so wie es war auf der Straße.
»Probleme, John?«, fragte Max.
»Nein, nein, nicht wirklich.«
Als ich mich drehte, sah ich ihren Blick, und der sagte mir, dass sie mir nicht glaubte.
Wir blieben nicht mehr länger im Wohnzimmer, sondern gingen in Richtung Kinderzimmer. Germaine Duc hatte die Führung übernommen. Dass sie sich nicht wohl fühlte, war zu sehen, denn sie bewegte sich steif. Ihre Haltung drückte aus, dass sie sich innerlich gegen die Vorgänge stemmte, aber sie konnte eben nichts unternehmen.
»Eigentlich schläft er ja oben«, erklärte uns Germaine, »aber ich habe ihm im Gästezimmer sein Bett zurechtgemacht, wenn er sich am Morgen noch mal hinlegen will. Am Abend ist das anders. Da liegt mein Schlafzimmer nebenan.«
Die Tür zum Gästezimmer war geschlossen. Germaine hatte die Tür kaum geöffnet, da merkten wir den kalten Luftzug, der uns entgegenwehte. Im Gesicht traf er uns und ich schaltete meine Sinne auf Alarm.
Hinter den beiden Frauen betrat ich den Raum.
»Was ist das denn?«, keuchte Germaine.
Sie sprach nicht mehr weiter. Ihr Gesicht hatte einen staune nden Ausdruck angenommen.
Zu erklären brauchte niemand etwas. Wir sahen es mit den eigenen Augen. Kevin hielt sich nicht mehr im Zimmer auf. Er war durch das offene Fenster entwischt…
***
»Nein… nein…« Die beiden Worte rutschten Germaine über die Lippen, und sie war blass wie die berühmte Kalkwand geworden. Was sich jetzt in ihrem Kopf abspielte, war leicht auszurechnen, da brauchte man wirklich kein großer Künstler zu sein.
Als sie zu zittern begann, legte Maxine beide Hände auf ihre Schultern und beruhigte sie mit leise gesprochenen Worten.
Ich war sofort am offenen Fenster und beugte mich nach draußen. Dieser Teil des Hauses lag auf der Rückseite und hier sah die Landschaft ganz anders aus. Es gab keine Häuser, keine Menschen, sondern einfach nur die Landschaft, die sich in der winterlichen Kahlheit präsentierte. Hinter dem wilden Garten zog sich ein flacher Hügel in die Höhe. Nicht weit entfernt stand ein alter Schuppen, der aussah, als würde er jeden Moment zusammenbrechen. Ob Kevin ihn sich als Versteck ausgesucht hatte, wusste ich nicht. Ich würde allerdings nachschauen.
Als ich mich drehte, standen die beiden Frauen noch immer beisammen. Sie sahen, dass ich sie anschaute und Germaine nahm meinen Blick wohl als eine Aufforderung wahr.
»Ich… ich… kann dir nicht sagen, wohin Kevin gelaufen ist. Das hat er noch nie getan. Das ist mir auch völlig rätselhaft.«
Sie hob die Schultern. »Ich bin wirklich überfragt.« Sie verdrehte die Augen. »Außerdem hat er nur einen Schlafanzug an.«
»Das glaube ich nicht«, sagte ich und deutete auf die offene Tür eines schmalen Kleiderschranks, die mir aufgefallen war.
»Ich denke schon, dass Kevin sich der Witterung entsprechend angezogen hat. Er ist dann eben weggelaufen.«
»Ja, das stimmt. Aber wohin?«
»Keine Ahnung. Das heißt, da habe ich einen Schuppen gesehen. Kann es sein, dass er sich dort aufhält?«
»Was soll er denn da? Das alte Ding gehört nicht zu uns. Das ist ein alter Schafstall.«
Maxine Wells war an den Kleiderschrank getreten und hatte die Tür vollends aufgezogen. Sie warf einen Blick in den Schrank. »Sieht ganz so aus, als hätte Kevin in aller Hast einige Klamotten von den Bügeln gerissen. Erst danach ist er verschwunden.«
Germaine setzte sich auf die Bettkante. »Verdammt, warum hat er das getan? Warum das alles? Ich kann es nicht fassen. Das ist doch der reine Wahnsinn.«
»Aber es ist passiert. Und es ist müßig, sich weiterhin darüber Gedanken zu machen.« Maxine strich ihr tröstend über das Haar und wandte sich an
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