1249 - Bibliothek des Grauens
so verteilte, dass es alles beleuchtete, was auf dem Schreibtisch lag. Eine Sitzecke war ebenfalls vorhanden. Die Tür zum Bad stand weit offen. Ich sah, dass der Raum die gleiche Größe hatte wie meiner.
Durch die großen Fenster strömte das Tageslicht. Es war nicht dunkler und auch nicht heller geworden, aber es hatte trotzdem eine Veränderung gegeben, denn ich sah, dass sich draußen im Park der erste Bodennebel gebildet hatte. Er schwebte wie Watte über dem Untergrund.
Ich drehte den Kopf nach rechts. Der Blick in den Park wurde noch besser, sodass mir eine kleine Insel auffiel. Ein abgeteiltes Stück inmitten des Parks und nicht weit von einer Gruppe von Trauerweiden entfernt, deren dünne Arme weit nach unten hingen.
Trenton hatte meine Haltung bemerkt. »Was gibt es da so Interessantes zu sehen, John?«
Ich erklärte es ihm.
»Wissen Sie nicht, was das ist?«
»Nein, sonst hätte ich nicht gefragt.«
»Das hätte der gute Donald Ihnen auch sagen können, dass sich dort so etwas wie ein Familiengrab befindet. In früheren Zeiten hat man die Ashers da zur letzten Ruhe gebettet. Es ist die Gruft unter den Trauerweiden. Das passt ins Bild. Er hätte es Ihnen aber sagen müssen, wo Sie sich doch mit seiner Familie beschäftigen.«
»Ja, das hätte er eigentlich tun müssen«, sagte ich. »Kann sein, dass er es vergessen hat. Der Tod seines Vaters entschuldigt vieles.«
»Das denke ich auch. Aber jetzt trinken wir erst mal einen Schluck, John. Kommen Sie.«
Ich drehte mich um. Trenton hatte bereits zwei Gläser mit der edlen Flüssigkeit gefüllt, deren Aroma mir bereits entgegen wehte, ohne dass ich das Glas in den Händen hielt.
Trenton hatte die Schreibtischleuchte eingeschaltet. In der Zimmermitte befand sich die Lichtinsel. Die Helligkeit reichte aus, um auch uns zu erreichen. Zum ersten Mal kam ich dazu, mir Nic Trenton genauer anzusehen.
Ich weiß nicht, wie man sich einen Autor vorzustellen hat, der über Serienmörder schreibt. Aber so wie Trent on bestimmt nicht. Er war nicht der finstere Typ, der tief in das Seelenleben dieser Killer hineindrang und selbst davon etwas abbekommen hatte.
Nic Trenton wirkte locker, jugendlich. Sein Haar war recht lang und wuchs wirr um seinen Kopf. Er trug Jeans, einen schwarzen Pullover und eine Jeansjacke. Ein schmales Gesicht mit hervorstehenden Wangenknochen, auf denen sich dunkle Bartschatten abzeichneten. Seine Füße steckten in Turnschuhen mit dicken Sohlen. Die Nase war schmal, die Augenbrauen schoben sich auf sich zu und wuchsen unter der Nasenwurzel zusammen.
»Dann auf eine schöne Zeit hier im Haus, John.«
»Gibt es die denn?«
Nic trank noch nicht. Er lachte und sagte dann: »Eine gute Frage, John, echt.«
»Die lag mir auf der Zunge. Ich komme aus der Stadt und bin so etwas nicht gewohnt.«
»Kann ich mir denken.« Er grinste breit. »Da fällt mir was ein. Kennen Sie Edgar Alan Poe?«
»Wer kennt ihn nicht?«
»Genau, John. Poe hat die Geschichte vom Untergang des Hauses Usher geschrieben.« Seine Augen glänzten plötzlich.
»Jetzt denken Sie mal nach. Bei Poe hieß das Haus Usher. Hier heißt es Asher. Der Unterschied besteht nur aus einem Buchstaben. Ist doch spannend, nicht?«
»So kann man es sehen. Und Sie meinen, dass dieses Haus Asher auch so untergeht?«
»Ich meine gar nichts, John. Ich habe mir nur einige Parallelen überlegt.«
»Wenn Sie es so sehen wollen, bitte. Vielleicht muss das auch so sein, denke ich.«
»Warum?«
»Das kann mit Ihrem Beruf zusammenhängen.«
Er gab mir keine Antwort, sondern trank zunächst einen Schluck. Ich wollte nicht unhöflich sein und tat es ihm nach.
Nic Trenton hatte nicht übertrieben. Der Whisky war wirklich vom Allerfeinsten. Er war so weich, so herrlich, der schmolz fast auf der Zunge, und ich hatte das Gefühl, das Getreide schmecken zu können.
»Ist das ein Tröpfchen, John?«
»Exzellent.«
»Sehr gut ausgedrückt, mein Lieber. Aber er ist auch einmalig. Ein schottischer Privatbrenner schickt mir immer eine Kiste, wenn ich ihn anrufe. Den bekommen Sie in keinem Laden zu kaufen. Und ich genieße ihn nach der Arbeit.«
»Dann haben Sie heute Ihr Soll schon erfüllt?«, fragte ich.
»Nein, nein. Ich fange erst an. Ich bin jemand, der die Nächte nicht zum Schlafen nutzt, sondern zum Arbeiten. Dafür schlafe ich dann bis in den frühen Nachmittag hinein.«
»Und schreiben dann über Massenmörder?«
Seine Lockerheit verschwand. Ein leicht lauernder Ausdruck trat in
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