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1249 - Bibliothek des Grauens

1249 - Bibliothek des Grauens

Titel: 1249 - Bibliothek des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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keinen Schlaf. Und wenn ich endlich eingeschlafen bin, dann sehe ich die Mörder als Geister in ihrem Blutrausch. Immer und immer wieder schickt mir das Unterbewusstsein diese Szenen hoch, und ich kann ihnen leider nicht entkommen. Die Geister sind immer um mich herum, und ich weiß nicht, ob ich sie je wieder loswerde.«
    »Da sind Sie wirklich nicht zu beneiden.«
    »Eben.«
    »Haben Sie dagegen etwas unternommen?«
    Nic Trenton zuckte leicht zusammen. Mir kam es vor, als wäre er erst jetzt richtig wach geworden. Er schüttelte den Kopf und fragte dabei: »Ich weiß gar nicht, warum ich Ihnen das alles so brühwarm erzähle. Dabei kennen wir uns kaum.«
    »Vielleicht musste das mal so sein.«
    »Ja, kann stimmen. Komisch. Anderen habe ich mein Seelenleben nie so schnell geöffnet. Um auf Ihre Frage zurückzukommen, John, ja, ich habe versucht, etwas dagegen zu unternehmen, indem ich mich bewusst mit ihnen beschäftigte.«
    »Klingt interessant…«
    Nic stand auf und ging zu dem Schreibtisch. Er zog eine Schublade auf und holte ein Buch mit einem braunen Umschlag hervor. Er schlug es nicht auf, sondern hielt es geschlossen in der Hand und kam auf mich zu. Als er stehen blieb, warf er es mir in den Schoß.
    »Ist das Ihr erstes Buch?«
    »Nein, John. Ich würde es nie veröffentlichen. Es ist mein persönliches Buch.«
    »Aha…«
    »Es ist ein Totenbuch«, präzisierte er.
    Damit hatte er mich wieder überrascht. »Totenbuch?«, murmelte ich. »Ein ungewöhnlicher Name.«
    »Schlagen Sie es auf.«
    Er blieb neben dem Sessel stehen und schaute von oben her zu, wie ich das Buch öffnete. Die ersten Seiten überschlug ich, weil ich merkte, dass weiter in der Mitte die Blätter schwerer waren. Ich schlug sie auf - und schaute auf das Gesicht eines Mannes mit hellblondem Haar. Das Foto klebte auf der rechten - Seite. Auf der linken stand der dazugehörige Name.
    Ich las halblaut vor. »Jason Wells. Serienkiller, der neun Obdachlose umbrachte. Lebenslänglich…«
    Ich schlug die nächste Seite auf. Wieder blickte ich in das Gesicht eines Serienmörders. So ging es weiter. Das ganze Buch durch. Und ich sah auch Frauenfotos, denn es waren nicht nur Täter, sondern auch Täterinnen. Bei ihnen ging es um die heimtückischen Taten, die sie in Altenheimen begangen hatten, um an das Geld der alten Menschen zu kommen, das sie sich auf einem raffinierten Weg schon hatten überweisen lassen.
    Ich klappte das Buch wieder zu.
    »Was sagen Sie dazu, John?«
    »Ein Buch des Schreckens.«
    »Genau:« Er nahm es wieder an sich. »Ich spreche dabei von einem Totenbuch. Mein persönliches Totenbuch. Da habe ich all diejenigen verewigt, die mich so beschäftigen. Für mich ist es so etwas wie eine Bibel des Grauens, und ich lese immer wieder darin. Ich bin verrückt danach, weil ich begreifen will, warum ein Mensch so etwas tut. Aber ich kann es nicht begreifen!« Er sah plötzlich müde aus. »Wahrscheinlich fehlt in meinem Kopf etwas. So genau weiß ich das nicht.«
    »Vielleicht sollten Sie das Buch mal wegschließen, Nic.«
    »Nein. Ich würde es immer wieder hervorholen. Es kann ja auch mal anders kommen. Vielleicht kippt mal alles. Wenn das eintrifft, fühle ich mich auch wieder besser. Aber zuvor muss ich noch mein zweites Buch fertig bekommen. Das ist ebenfalls eine Sucht, die sich ein Außenstehender kaum vorstellen kann.«
    »Doch, ich glaube Ihnen, Nic.«
    Er legte das Buch wieder auf seinen Schreibtisch und goss noch einen Whisky ein. »Sie auch?«
    »Nein, danke, nicht. Ich… ich… wollte auch noch in mein Zimmer, dann kurz in der Bibliothek vorbeischauen, und es kann durchaus sein, dass ich noch einen kleinen Gang durch den Park mache.«
    »Sehr vernünftig. Was ist mit Ihrer Recherche?«
    »Damit beginne ich morgen.«
    »Das habe ich auch oft gesagt.«
    »Und? Haben Sie es auch eingehalten?«
    »Zur Hälfte.«
    »Das ist immerhin etwas.« Ich ging zur Tür und öffnete sie.
    Auf der Schwelle sagte ich noch: »Wir sehen uns dann, Nic.«
    »Bestimmt, John, bestimmt…«
    ***
    Die Zimmertür war hinter mir zugeschlagen, und ich fühlte mich in diesem Moment leer und ausgebrannt. Ich war wieder allein, doch das Gespräch mit Nic Trenton ging mir nicht aus dem Kopf. Ich wusste nicht genau, wie ich ihn einschätzen sollte. War er ein Besessener? Oder war er ein Mensch, der sich mit klarem Blick in die Situation hineingerissen hatte, in der er jetzt steckte?
    Ein Mann, der Bücher über Serienmörder schrieb!
    Warum tat er das?

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