1250 - Absalom
allem nichts überstürzen. Ich konnte mir die Cafés aussuchen. In einem fand ich sogar einen Platz am Fenster. Durch die Scheibe sah ich die graue Kirche, die sich zudem noch schwach im Glas widerspiegelte.
Ich bestellte Kaffee, dazu ein mit Putenfleisch und Salatbelegtes Sandwich, das mehr die Form eines Croissants hatte. Ich gab mich wie ein normaler Tourist. Keiner wäre auf den Gedanken gekommen, in mir jemand zu sehen, der einem Geheimnis auf der Spur war.
Absalom hatte mich gewarnt.
Zwar hielt ich mich allein hier in Gent auf, aber meine Gegner waren ebenfalls am Ball. Ich musste also die Äugen offen halten. Wenn sie in der Nähe waren, würden sie sich natürlich nicht als Templer ausgeben, sondern sich als normale Menschen unter den anderen bewegen. Die Richtigen zu finden, das war mein Problem.
Ich aß, ich trank den Kaffee, bestellte mir eine zweite Tasse, und hielt die Bedienung zurück.
»Ich möchte gern bezahlen und…«
Sie verstand meine Sprache. »Komme gleich wieder.«
Der Spruch war wohl international bekannt.
Aber sie kam tatsächlich wieder. Ich legte einige Euros auf den Tisch und gab ein gutes Trinkgeld, das ein Lächeln auf das leicht erschöpft wirkende Gesicht der jungen Frau zauberte.
»Da hätte ich noch eine Frage.«
»Bitte, aber schnell.«
»Klar. Es geht mir um die Kirche dort. Da finde ich doch das Genter Altarbild - oder?«
»Natürlich.« Sie schaute mich an, wie jemand, der etwas Schreckliches gesagt hatte.
»Danke. Kann ich es besichtigen?«
»Können Sie. Aber besser wäre es, wenn Sie sich einer Gruppe anschließen würden. Geld kostet beides.«
»Danke.«
»Schönen Tag noch.«
Sie ging, ich trank den Kaffee, schaute durch das Fenster auf den Platz vor der Kirche und sah beim besten Willen nichts, was meinen Verdacht erregt hätte. Da war nichts Ungewöhnliches zu sehen.
Hin und wieder geriet eine Polizeistreife in mein Blickfeld, auch das war völlig normal.
Ich hatte meinen Hunger zur Hälfte gestillt, den Durst ebenfalls und warf noch einen letzten Blick durch die Scheibe nach draußen, wobei ich den Kopf schüttelte, denn ich dachte darüber nach, wie schnell sich im Leben etwas wenden kann. Zumindest bei mir, bei dem die Magie fast zum täglichen Brot gehörte.
Ich verließ die Wärme des Cafés und bekam wieder den Januarwind zu spüren. Ich roch auch das Wasser, denn Gent ist eine Hafenstadt, obwohl sie im Landesinnern liegt. Sie ist aber durch einen Kanal mit der See verbunden, das hatte ich auf einem Plan gesehen, der hinter einer Glasscheibe klebte.
Diesmal hatte ich ein Ziel. Ich ging über den Platz auf die graue Kirche zu. Tauben und andere Vögel umflogen sie, landeten auch dort, wo die Menschen hergingen, doch ihr richtiges Revier war eben das graue Gemälde mit seinen Fenstern, Erkern, Nischen und Vorsprüngen.
Das Innere der Sint-Baafs-Kirche hatte ich noch nicht gesehen. Mir fielen allerdings die Menschen auf, die in eine bestimmte Richtung gingen. Es warenecht zu viele, die durch ein Seitenportal neben dem Haupteingang Einlass begehrten. Ich ging davon aus, dass sie den Genter Altar besichtigen wollten. Zwei junge Leute kreuzten meinen Weg. Sie waren winterlich gekleidet, aber die Musikinstrumente schleppten sie trotzdem. Sie würden sich bestimmt irgendeine windgeschützte Stelle suchen und dort spielen.
Ich war nicht so locker wie die meisten Menschen hier auf dem Platz vor der Kirche. Meine Äugen bewegten sich, weil ich nach Gestalten suchte, die ich zu den Baphomet-Templern hätte zählen können. Aber sie zeigten sich nicht. Falls es sie gab, dann hielten sie sich recht gut versteckt oder waren getarnt.
Es »brannte« irgendwie trotzdem, obwohl ich nichts Auffälliges zu sehen bekam. Wäre es anders gewesen, hätte man mir mehr Zeit gegeben und mich nicht auf eine derartige Reise nach Gent geschafft. Demzufolge stand ein bestimmtes Ereignis dicht bevor.
Ich hatte auch mit dem Gedanken gespielt, in Alet-les-Bains anzurufen, um mit Godwin de Salier, dem Nachfolger des Abbé Bloch, zu sprechen. Die Idee hatte ich dann schnell wieder verworfen.
Solange ich keine Beweise hafte, wollte ich die Freunde in Südfrankreich nicht verrückt machen.
Erst mal abwarten.
Ich hatte die Schlange erreicht und stellte mich an. Es waren alles »normale« Menschen. Keine Männer, die auffielen. Personen, denen es nur um die Besichtigung ging. Männer, Frauen, auch Kinder hatten sich angestellt und schoben sich immer weiter vor, auf das
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