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1250 - Absalom

1250 - Absalom

Titel: 1250 - Absalom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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hatte ihre Tasche mittlerweile zum Rucksack umfunktioniert und an ihren Rücken gehängt. Sie legte eine kurze Pause ein, um sich zu sammeln. Ich stand in ihrer Nähe, sodass sie mich hin und wieder ansehen musste, wenn sie den Kopf entsprechend bewegte, und ich hatte einfach das Gefühl, dass sie bei jedem Blickkontakt zwischen uns etwas von ihrer Sicherheit verlor.
    Deshalb versuchte ich es mit einem knappen Lächeln, das nicht erwidert wurde.
    »Kommen wir also zum zentralen Bild dieses wunderschönen Altars«, begann sie. »Es wird das Lamm Gottes genannt und ist hineingestellt worden in eine wirklich paradiesische Landschaft. Im Hintergrund sehen sie einige Häuser, Türme und Kirchen. Es ist die mittelalterliche Silhouette der Stadt Gent.«
    Sie sprach über das gesamte Bild. Sie erklärte viel. Ich sah Engel auf dem Boden knien. Tau-Kreuze an salomonischen Säulen. Eine Säule war direkt als Tau-Kreuz gemalt, das man auch als Gelegenkreuz oder T-Kreuz bezeichnete. Man konnte vieles hineindeuten und diese Umgebung mit dem alten Israel vergleichen, und selbst die Taube war vorhanden, die wachend über allem schwebte.
    Bei der Taufe am Jordan war sie auf Jesus herabgeschwebt. Mir fiel ein, dass die Taube eigentlich nichts mit der religiösen Vorstellungswelt der Juden zu tun hatte, sondern aus der der alten Ägypter adaptiert wurde. Dort war die Taube als Ka oder königlicher Doppelgänger aufzufassen. Mir dämmerte allmählich, dass in diesem Bild mehr zu sehen war, als man auf den ersten Blick erfasste. Hier konzentrierten sich mehrere Mysterien, die nicht so einfach zu erfassen waren. Da schoben sich einige Religionen zusammen, und ich bewunderte das Wissen der Brüder van Eyck.
    Auch Johannes der Täufer war noch zwei Mal auf dem Bild zu sehen, aber das Lamm Gottes hatte für mich Priorität.
    Es stand auf einem weißen Altar. Aus seiner Brust floss Blut in einen Kelch, und ich dachte dabei sofort an den Heiligen Gral und an andere oder ähnliche Motive, die man aus verschiedenen Kirchen her kannte. Wo das Blut des Gekreuzigten in einen Kelch fließt und vor dem Kreuz eine Frau steht, die einen Zweig in der Hand hält.
    Das sah ich hier nicht, aber meine Gedanken blieben trotzdem an dieser anderen Darstellung hängen, und ich dachte daran, dass diese Frau mit dem Zweig immer als Maria Magdalena angesehen wurde. Denn sie war auch als eine der ersten Personen am Grab Christi gewesen.
    Je länger ich mich auf das Bild konzentrierte, um so mehr Details entdeckte ich. Dabei war meine Konzentration so groß, dass ich die Stimme der Führerin kaum hörte und immer tiefer in meine eigene Betrachtungswelt abtauchte.
    Besonders interessant war für mich die Darstellung einer Frauengruppe. Eine dieser Frauen hielt ein sehr kleines Lamm in der Hand. In der anderen trug sie einen Palmenzweig.
    Mich interessierte diese Frau. Wer war sie? Warum zeigte man sie zusammen mit einem Lamm?
    Sollte sie vielleicht Maria Magdalena sein?
    Ich ging davon aus, denn es gab die Legende, dass Maria Magdalena in dem südfranzösischen Küstendorf Mas de la Madeleine von Jerusalem kommend an Land gegangen war und dort ihre Spuren bis in die heutige Zeit hinterlassen hatte, dessen war ich mir sicher. Und ich wusste, dass ich mich auch weiterhin mit diesem Problem beschäftigen würde, wenn ich herausfinden wollte, was ein gewisser van Akkeren vorhatte.
    Es war beinahe schon pervers, dieses Bild mit einem Vincent van Akkeren in Verbindung zu bringen, aber ich musste einfach daran denken und gab auch meinem Gefühl nach.
    Viele Wege führen nach Rom, heißt es. Und in diesem Fall führen viele zu van Akkeren hin.
    Ich tauchte allmählich aus meinem eigenen Gedankenkosmos wieder auf und konzentrierte mich auf das, was Julie Ritter sagte. Auf die Details ging sie nicht ein, sondern sprach von der Kunst der Maler und von ihrem grandiosen Wissen um die Mystik der Religionen.
    Ich hatte nicht bemerkt, wie schnell die Zeit vergangen war. Als ich auf die Uhr schaute, stellte ich fest, dass bis auf fünf Minuten die Stunde vorbei war.
    Auch für Julie Ritter war das Ende der Führung nahe. »Wer nun Fragen hat, der möge sie stellen. Ich werde versuchen, sie zu beantworten.«
    Ja, ich hatte Fragen, aber ich stellte sie nicht, denn ich hatte mir etwas anderes ausgedacht. Ich wollte Julie Ritter unter vier Augen sprechen und hoffte, dass sie Zeit für mich fand.
    Niemand stellte mehr eine Frage. Die Menschen standen noch immer unter dem Eindruck des

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