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1250 - Absalom

1250 - Absalom

Titel: 1250 - Absalom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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haben. Wenn ja, dann wissen Sie, welch eine Größe er besitzt. Wenn nicht, dann werden Sie schon über die Ausmaße überrascht sein, denn ich glaube nicht, dass sie bereits einen Altar in dieser Größe gesehen haben. Er ist wirklich ein Meisterwerk. Ich selbst bezeichne ihn schon als kleines Wunder. Um die Motive auf allen zwölf Tafeln zu erklären, brauchten wir viel mehr Zeit. Das würde sich über Stunden hinziehen, und deshalb werde ich mich bei meinen Erklärungen auf das zentrale Bild beschränken, das Bild vom Lamm Gottes, das, so finde ich, etwas ganz Besonderes ist, und die Besucher immer wieder fasziniert hat.«
    Julie Ritter legte eine Pause ein und ließ ihre Blicke über die Besucher wandern. Niemand hatte etwas gegen ihren Vorschlag einzuwenden. Sie erlebte ein allgemeines Nicken. Ich hatte den Eindruck, als würde ihr Blick etwas länger auf mir verweilen, aber das konnte auch eine Täuschung sein. Weshalb hätte sie gerade mich anschauen sollen? Ich war nur einer unter vielen.
    Julie Ritter lächelte kurz, nickte und sagte: »Dann darf ich Sie bitten, mir zu folgen.«
    Mit einer geschmeidigen Bewegung drehte sie sich um und schritt auf die linke Seite der Kirche zu, wo die nach unten in ein Gewölbe führende Treppe begann. Sie löste die Sperrkordel und wartete, bis jeder Besucher sie passiert hatte. Das Lächeln auf ihren Lippen wirkte wie festgefroren.
    Wir mussten dicht an ihr vorbeigehen. Da machte auch ich keine Ausnahme. Ich schaute sie an, sie blickte mir ins Gesicht, und ich stellte fest, dass sie hübsch war. Aber ich sah auch etwas, das mir weniger gefiel. In ihren Augen stand ein Ausdruck, der auf eine gewisse Beunruhigung schließen ließ. Möglicherweise sogar auf ein Gefühl der Angst, das sie nicht ganz unterdrücken konnte.
    Es war nur ein flüchtiger Eindruck. Ich konnte mich auch irren, aber ich würde diesen Blick so leicht nicht vergessen und nahm mir schon jetzt vor, sie nach der Besichtigung anzusprechen.
    Wir schritten in die Tiefe. Julie Ritter überholte die Gruppe, damit sie uns im Keller oder in der Krypta erwarten konnte, wo sich das Ziel befand.
    Es ging tiefer über eine Steintreppe, aber auch hinein ins Licht, sodass kaum jemand das Gefühl hatte, ein Grab oder eine Gruft zu betreten. Trotzdem sprachen die Menschen nur mit sehr leisen Flüsterstimmen. Der Respekt vor dem Kunstwerk war schon vorhanden und auch der vor dieser kühlen Umgebung.
    Der helle Schein wies uns den Weg. Die letzten Stufen lagen sehr bald hinter uns, und wir sahen, dass Julie Ritter uns mit beiden Händen zuwinkte. Sie stand dort, wo eine dicke Kordel von einer Seite zur anderen vorgezogen war und ebenfalls eine Sperre bildete.
    Dahinter stand der Altar!
    Julie Ritter sagte nichts. Sie wartete, bis wir uns verteilt hatten und jeder einen so guten Platz gefunden hatte, dass er den Altar zur Gänze sehen konnte.
    Weiches, aber genügend helles Licht hüllte ihn ein, und jeder Besucher war zunächst mal sprachlos angesichts der Schönheit dieses Altars.
    Schönheit und Kunst hatten sich zu einer perfekten Symbiose vereinigt. Die Brüder van Eyck hatten der Welt hier wirklich etwas Phänomenales hinterlassen, und mir rann wohl nicht als Einzigem ein Schauer über den Rücken.
    Die Führerin kannte dieses Phänomen. Deshalb ließ sie uns erst mal in Ruhe schauen. Ungefähr zwei Minuten vergingen, da klatschte sie leicht in die Hände, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, und dann begann sie mit ihrer Erklärung…
    ***
    Es gibt Führer, die können interessant erzählen, und es gibt welche, die ihren Text einfach nur herunterleiern. Julie Ritter gehörte zu denen, die etwas zu erzählen wussten. Sie redete nicht einfach daher, sondern erfasste das Wichtigste mit wenigen und prägnanten Worten. So erfuhren wir, dass von den zwölf Bildern schon zwei im letzten Jahrhundert gestohlen worden waren. Es handelte sich zum einem um das Bild von Johannes dem Täufer, der eine Gruppe von Pilgern nach Santiago de Compostella anführte, und zum zweiten war es das Bild Die gerechten Richter. Das war nicht wieder gefunden worden. Man hatte es von einem einheimischen Künstler nachmachen lassen und wieder in das Gesamtbild integriert.
    Eine Stunde hatten wir nur Zeit. Julie Ritter erklärte die einzelnen Bilder mit knappen Sätzen. Ich ging davon aus, dass sie sich zum Schluss mehr auf das zentrale Bild konzentrieren würde, das die große Mitte des kostbaren Altars bildete.
    Und so war es dann auch.
    Julie

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