1250 - Absalom
auf, aber sie trägt ein Gefäß in den Händen.«
»Das ist Balsam.«
»Danke.«
Julie schüttelte den Kopf. »Ich wusste von Beginn an, dass Sie kein normaler Besucher sind, John. Aber dass Sie dermaßen tief in die Materie eingedrungen sind, hätte ich mir nicht vorstellen können. Was wissen Sie denn noch?«
»Zu wenig.«
Sie schüttelte den Kopf. Die Antwort gefiel ihr nicht. Dann fragte sie: »Was ist Ihr Ziel, John?«
»Sie wissen es doch. Eine Frau. Maria Magdalena. Für mich ist sie eine Schlüsselfigur.«
»Ach ja…?«
Mir war der ungewöhnliche Ton in dieser Frage aufgefallen. »Sie tun so, als wäre es etwas Schlimmes, sich dafür zu interessieren. Aber das kann es doch nicht sein - oder?«
Julie Ritter schaute zu Boden. »Im Prinzip nicht. Aber es gibt auch Personen, die…« Sie schüttelte den Kopf. »Vergessen Sie es.« Dann nickte sie. »Ja, es ist schon interessant, hinter die Kulissen zu schauen, das gebe ich gern zu. Jedem bleibt es schließlich selbst überlassen, sich für Religion und Mystik zu interessieren und zu versuchen, das herauszufinden, was die Menschen in früheren Zeiten gewusst und was sie der Nachwelt hinterlassen haben.«
»Wie den Altar.«
»Stimmt.«
»Und was steckt noch dahinter, Julie? Was Sie den Besuchern gesagt haben, ist doch nicht alles. Sie sind nicht in die Tiefe gegangen. Sie haben von keinen Hintergründen gesprochen, da muss es noch etwas anderes geben, das viel interessanter ist.«
Julie Ritter machte den Eindruck eines Menschen, der nicht weiß, ob er nun antworten soll oder nicht. Sie runzelte die Stirn, sie presste die Lippen zusammen, sie überlegte, räusperte sich und hob die Schultern.
»Warum wollen Sie mir nicht helfen?«
»Weil es keine Beweise gibt.«
»Wofür?«
»Für die Hintergründe. Oder für das, was Sie möglicherweise in das Bild hineininterpretieren.«
»Was könnte es denn sein?«
Diesmal lächelte sie. »So wie ich Sie erlebe, John, sind Sie auf der Suche.«
»Deshalb bin ich hier. Es geht mir um Maria Magdalena. Ich will etwas von ihr finden. Ich will das Leben dieser ungewöhnlichen Frau durchleuchten und muss deshalb hinter den Bildern lesen, was da alles versteckt sein kann.«
Julie Ritter dachte nach. Mit einer Bemerkung ließ sie sich Zeit. Dann stellte sie eine Frage, die mich überraschte. »Sind Sie ein Templer, John Sinclair?«
Ich wusste im ersten Moment nicht, was ich sagen sollte. Ich hätte sie jetzt anlügen und zustimmen können, um mich in meinen Forschungen weiter zu distanzieren, das tat ich nicht, denn ich wollte bei der Wahrheit bleiben.
»Nein, ich bin kein Templer.«
Atmete sie auf? War sie froh darüber, diese Antwort zu hören? So genau war das nicht herauszufinden. Jedenfalls senkte sie für einen Moment den Blick, straffte jedoch die Schultern, und so glaubte ich, sie froher zu sehen.
»Stört Sie das?« fragte ich.
»Nein.«
»Sie kennen die Templer?«
»Sie nicht auch?«
»Ja«, gab ich zu.
Das wiederum verwunderte sie. »Es passiert selten, dass jemand so etwas zugibt. Es ist wie bei den Freimaurern. Man kennt sie, aber man spricht wenig darüber. Und manchmal ist man überrascht, wenn herauskommt, wer alles an Prominenz zu dieser Gruppe gehört. Die Templer sind zwar nicht so bekannt, was auch gut ist, aber es gibt sie nun mal, und ich sehe keinen Grund, ihnen negativ gegenüberzustehen.«
»Ja, das sagen Sie, John…«
»Haben Sie andere Erfahrungen sammeln können?«
»Bitte, nicht jetzt.« Sie drehte sich um. »Meine Güte, ich hätte schon längst weg sein müssen und…«
»Pardon.« Ich unterbrach sie. »Haben Sie noch eine Führung?«
»Nein, das war vorhin die zweite und auch die letzte Führung für heute gewesen.«
»Dann hätten wir ja Zeit, uns zu unterhalten. Oder, müssen wir hier aus der Krypta verschwinden?«
»Nein, noch nicht. Man kennt mich, und die Kirche wird erst später geschlossen.«
Ich lächelte ihr zu. »Wie wäre es dann mit einer kleinen privaten Führung?«
Noch sagte sie nichts. Ich war gespannt auf ihre Antwort und hoffte, dass sie zu mir Vertrauen gefasst hatte. »Was wollen Sie denn wissen?«, fragte sie schließlich.
»Nun ja, ich möchte gern mehr über das wahre Geheimnis des Bildes erfahren.«
»Das kennt niemand, John.«
»Kann ich mir denken. Aber es gibt sicherlich Vermutungen. Oder liege ich da falsch?«
»Ja, die gibt es.«
»Können wir uns darauf einigen? Oder sind sie so gefährlich, dass man darüber nicht reden kann? Das
Weitere Kostenlose Bücher