1251 - Stalker
Kanten. Die Viren festigten sich und stabilisierten sich zu Wänden. Argentina bekam dennoch keine Platzangst. Ein Gefühl, eine lautlose Stimme, sagte ihr, daß dies kein Gefängnis war und daß sie diesen Ort jederzeit wieder verlassen konnte. Argentina war nicht eingeschlossen.
Die Wände, so stabil sie auch schienen, waren noch immer so durchlässig wie in ihrer vorangegangenen Zustandsform.
Argentina brauchte nur daran zu denken – und schon lösten sich die Wände wieder in nebelige Schleier auf. Sie konnte mit der Virenmasse spielen, sie formen, festigen und wieder diffundieren lassen. Das war ihr klar, obwohl ihr das scheinbar niemand gesagt hatte. Aber Argentina wußte, daß sich ihr das Virenimperium bemerkbar gemacht hatte. Es teilte sich ihr auf telepathischem Weg mit und ließ ihr auf unaufdringliche Weise das benötigte Wissen zukommen.
Argentina formte einige klar umrissene Gedanken, und plötzlich bildete sich aus der nebeligen Virenmasse eine Konsole mit einem Holo-Projektor und einem körpergerechten Kontursessel davor. Sie lächelte und nahm in dem Sessel Platz.
Sie dachte an Gregor. Sie dachte sehr konzentriert an ihren Geliebten als Sturmreiter. Als solcher hatte er eine starke Bindung an das Virenimperium gehabt, und nicht nur an jene Teile des Virenimperiums, die vom Element der Finsternis zerstört worden waren.
Die Erinnerung an den Sturmreiter Gregor Manda mußte auch in den Resten des Virenimperiums erhalten sein.
„Wie kann ich den Holo-Projektor bedienen?" erkundigte sich Argentina laut und war gar nicht verwundert, als das Virenimperium ebenfalls laut und mit sanfter, dunkler Frauenstimme antwortete.
„Du kannst mich durch Gedankenkraft steuern, Tina", sagte das Virenimperium.
„Du brauchst dir nur etwas zu wünschen, und ich werde versuchen, deinen Wünschen zu entsprechen."
„So einfach ist das?" fragte Argentina und verlangte, ohne eine Antwort abzuwarten: „Projiziere mir aus deiner Erinnerung die Bilder, die du von Sturmreiter Gregor Manda hast."
„Willst du das wirklich, Tina?" fragte das Virenimperium. „Hast du dir das auch gut überlegt? Glaubst du nicht, daß solche Bilder nur alte Wunden aufreißen würden?"
Argentina war irritiert; sie hatte angenommen, daß das Virenimperium ihrem Wunsch nachkommen würde, ohne mit ihr über Sinn und Zweck zu argumentieren.
„Kannst du mir keine Bilder von Gregor Manda liefern?" fragte Argentina angriffslustig.
„Ich könnte", erwiderte das Virenimperium. „Aber wenn ich es tue, dann wird dich die Versuchung überkommen, deine unbewußten Wünsche zu nennen. Und die werde ich unter keinen Umständen erfüllen. Ich bin dir voraus, Tina, und weiß schon, was als nächstes kommen wird. Ich will dir nur eine Enttäuschung ersparen."
Argentina schluchzte trocken auf. Sie fühlte sich durchschaut und verraten. Das Virenimperium hatte recht. Sie verlangte die Holographie von ihrem Geliebten mit einem Hintergedanken, den sie jedoch verborgen halten wollte.
„Ist das Virenimperium nicht mehr mächtig genug, um alles aus sich zu machen?"
fragte sie.
„Wenn ich auch den größten Teil meiner Masse verloren habe, so bestehe ich immer noch aus omnipotenten Viren", erklärte das Virenimperium. „Ich habe mich entschlossen, mich all jenen zum Geschenk zu machen, die mich brauchen. Ich könnte alles aus mir entstehen lassen, aber mein Verantwortungsbewußtsein verbietet mir das. Gewisse Grenzen darf ich auch nicht überschreiten."
Argentina wurde zornig. Sie wußte, wozu das Virenimperium imstande war. Es hatte seinerzeit Ernst Ellert zu einem neuen Körper verholfen. Später hatte es aus sich ein Raumschiff für ihn gebildet. Und um Ellerts Flug nach EDEN II nicht zu einsam werden zu lassen, hatte es ihm Stein Nachtlicht als Begleiter zur Seite gestellt.
„Du mußt mir Gregor Manda zurückgeben", verlangte Argentina. „Du kannst ihn für mich erschaffen."
„Das darf ich nicht, Tina", sagte das Virenimperium sanft. „Ich weiß nicht, was aus Sturmreiter Manda geworden ist. Vielleicht lebt dein Gregor noch. Er muß nicht tot sein.
Vielleicht wurde er vom Element der Finsternis nur an irgendeinen Ort verschlagen ... Warum suchst du ihn nicht?"
Argentina blickte ungläubig ins Leere.
„Ihn suchen? Wo? Wie?"
„In den Tiefen des Weltraums", sagte das Virenimperium. „Ich kann dir bei deiner Suche helfen. Ich kann dir nicht garantieren, daß du deinen Geliebten findest, noch daß er lebt. Aber ich kann dir helfen,
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