1252 - Spur in die Vergangenheit
nichts zu sagen. Sie kannte die Regeln. Sie war die Gefangene, und sie wusste auch, wie sie sich zu verhalten hatte. So stellte sich Julie genau zwischen die beiden Männer, die sich umdrehten und den Raum verließen.
Julie war froh, dem Verlies zu entkommen. Es war ihr in dieser klammen Feuchtigkeit sehr kalt geworden, und sie sah, dass sie den gleichen Weg gingen, den sie auch gekommen waren. Die Treppe war wichtig, die sie jetzt hochstiegen, wobei Julie in die Mitte genommen wurde.
Es gab kein Licht. Nur von oben fiel schwacher Lichtschein auf die Stufen. Er verlor sich allerdings auf der langen Treppe, die zudem mit unterschiedlich hohen Steinstufen bestückt war, sodass es gar nicht leicht war, über sie zu gehen.
Sie stiegen immer höher. Am Ende der Treppe befand sich wieder eine Tür, die allerdings nicht geschlossen war. Dahinter lagen die eigentlichen Räume des Hauses, und dort war es auch nicht mehr so feucht.
Hinter ihr wurde die Tür wieder geschlossen. Dann stellten sich die beiden Aufpasser neben sie.
Vor ihr lag ein großer Raum. Man konnte ihn schon fast als eine Halle bezeichnen. Im Hintergrund sah sie eine Treppe, aber es gab keine Einrichtungsgegenstände, die den Raum wohnlich gemacht hätten. Der dunkle Steinfußboden wirkte auf Julie abstoßend, und das Licht, das durch die Fenster drang, war auch nicht besonders hell, sondern erinnerte sie an trübe Fahnen.
Sie hatte erwartet, Vincent van Akkeren hier zu treffen, aber das war nicht der Fall.
Die Männer nahmen sie wieder in die Mitte. Julie musste nach links gehen. Sie passierten die hellen Streifen, die durch schmutzige Fenster sickerten. Julies Füße schleiften über den Boden und wirbelten feinen Staub auf.
Die Schritte der Männer klangen hart und warfen Echos. Julie hatte das Gefühl, von Soldaten flankiert zu sein, und irgendwie waren es auch Soldaten, aber welche, die dem Teufel dienten.
Wieder erreichten sie eine Tür.
Julie hatte sie zuvor nicht gesehen. Jetzt aber erkannte sie, dass auch diese Tür aus dickem Holz bestand und einen Durchbruch so gut wie unmöglich machte.
Einer ihrer Bewacher öffnete die Tür.
Es war Julie nicht gesagt worden, was sie dahinter erwartete, aber sie ging davon aus, dass dies die letzte Station ihrer Reise war und sie so in das Zentrum gelangte. Diese Annahme ließ sie verkrampfen, und sie ballte die Hände zu Fäusten.
Etwas flackerte ihr entgegen und huschte dabei über den Boden hinweg. Sie sah, dass es der Widerschein eines Feuers war, das im anderen Raum flackerte.
Zwei Hände stießen gegen ihren Rücken. Da wusste Julie, was sie zu tun hatte, und bewegte sich nach vorn. Sie ging nicht locker, sie war verkrampft, sie spürte den eigenen Herzschlag überlaut, sie wünschte sich weit weg, doch das war nicht möglich, und so musste sie weiterhin in die Realität hineingehen.
Sie ärgerte sich über sich selbst, weil sie zitterte, aber sie konnte sich nicht unter Kontrolle halten.
Der Raum war recht groß. Die hohe Decke wirkte wie ein düsterer Himmel. Aus diesem Grund kam sich Julie auch so klein vor. Normalerweise hätte sie sich in einer derartig fremden Umgebung umgeschaut, aber hier interessierten sie nur zwei Dinge.
Zum einen war es das Feuer, das in einem recht großen Kamin an der gegenüberliegenden Seite loderte. Sein unruhiger Schein reichte aus, um in diesem Raum auch das Wichtigste zu erkennen.
Es war ein hoher Thron, der vor dem Feuer seinen Platz gefunden hatte. Auf ihm saß eine Gestalt.
Zuerst glaubte Julie, darin van Akkeren zu sehen, aber das stimmte nicht. Ein anderer saß darauf.
Da ihn die Flammen im Rücken erreichten, war er aus einer bestimmten Entfernung nicht genau zu erkennen. Julie musste schon näher heran, um ihn besser sehen zu können.
Sie blieb stehen - und erschrak. Denn die Gestalt, die auf dem Thron saß, war kein Mensch, sondern ein verdammtes Monster…
***
Die beiden Bewacher waren zurückgeblieben. So konnte sich Julie voll und ganz auf diese Gestalt konzentrieren, und sie merkte, wie sich in ihrem Innern etwas zusammenzog.
Viel war von dem Körper nicht zu erkennen, weil er durch ein Tuch oder Umhang verdeckt war.
Aber sie sah das Gesicht, und das war hässlich genug, und zugleich strömte es etwas sehr Böses ab.
Trotz des unruhigen Lichts war es ziemlich gut zu erkennen. Julie beschrieb es als feist, glatt und widerlich. Mit einem breiten Mund, das schon einem Maul glich und aussah wie ein auf den Rücken gelegter Halbmond. Das
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