1252 - Spur in die Vergangenheit
natürlich oft gesehen, und ich weiß auch, was man sich über ihn erzählt. Der Abbé hat ja hier seine Spuren hinterlassen, und die werden wir auch auf dem Friedhof und in der Kirche sehen können.«
Ich blieb stehen. »Sagtest du Friedhof?«
»Ja. Zu Rennes-le-Château gehört auch ein Friedhof. Ist das so ungewöhnlich?«
»Nein, nein, das nicht. Nur in diesem Fall, bei dem es um Gebeine geht.«
»Ich denke nicht, dass sie auf einem normalen Friedhof liegen. Das hätte man gewusst.«
»Okay, warten wir es ab.« Ich schaute dorthin, wo auch der Templer hinblickte und sah den Eingang zum Turm. Eine Tür, die man schon als Tor bezeichnen konnte. Sie war verschlossen, und ich glaubte auch nicht, dass sie für Touristen geöffnet wurde.
Ich änderte meine Blickrichtung und sah an der Außenfassade des Turms hoch. Es war schon ein imposanter Anblick, das musste ich zugeben, und dieses Bauwerk war bewusst für die Heilige und Hure errichtet worden. Warum hatte der Abbé Sauniere das getan? Was hatte er der offiziellen Kirche damit andeuten wollen?
Ich kam automatisch ins Grübeln, obwohl mich dies nichts anging und auch nichts mit meinem Fall zu tun hatte.
»Wir müssen einen Weg finden, um hineinzukommen, John. Ich denke, wir werden…«
Nichts taten wir.
Dafür hörten wir Sukos Ruf. Der klang so überrascht, dass wir auf der Stelle kehrtmachten und zu ihm liefen…
***
Es war ein schreckliches und auch widerliches Bild, das Julie Ritter zu sehen bekam. Sie hatte einfach schreien müssen. Auch wenn sie sich keine besonderen Vorstellungen vom Aussehen des Götzen gemacht hatte, was sie da sah, war einfach zu eklig.
Es gab den Körper!
Mochte der Kopf noch ein menschliches Aussehen gehabt haben, so war das bei dem Körper anders.
Er besaß einen dünnen Oberkörper, zu dem auch die dünnen Arme und Beine passten, aber nichts davon war von Haut bedeckt, sondern von einem borstigen Fell, das streichholzartig hoch nach oben stand und einen Gestank absonderte, bei dem es der jungen Frau fast schlecht wurde.
Sie hielt den Atem an, sie musste würgen, und hinter sich hörte sie das böse Lachen des van Akkeren. »Das ist er«, sagte er dann, »das ist unser Gott und Götze. Und ich schwöre dir, Julie Ritter, es wird auch deiner werden.«
Nein! Nein! Nie! Nie im Leben!
Es waren keine echten Schreie, die aus dem Mund der Frau drangen. Sie tobten in ihrem Innern auf.
Sie baute einen Widerstand auf, und der Ekel wurde zu einem mächtigen Druck.
Sie wollte hoch, aber sie konnte nicht. Van Akkeren drückte ihren Hals einfach zu fest, und dann hörte sie seine Stimme, die von Zischgeräuschen unterlegt war.
»Das habe ich mir immer gewünscht, Maria. Ja, das war mein Traum, und jetzt wird er in Erfüllung gehen. Die Heilige, die Hochverehrte und zugleich die Hure, wird sich nicht zu schade sein, meinen Gott, meinen Götzen zu küssen. Das Undenkbare wird eintreten, und ich allein werde dafür Sorge tragen.«
Trotz ihrer innerlichen Abwehrhaltung hatte Julie jedes Wort verstanden. Sie stand dicht davor, durchzudrehen. Sie konnte sich nicht mehr unter Kontrolle halten. Sie schlug und trat um sich, wollte sich befreien, aber van Akkeren verstärkte den Druck gnadenlos. Er presste den Hals noch stärker zusammen und drückte dabei den Kopf der Frau noch tiefer.
Julie war nicht kräftig genug, um diesem Druck etwas entgegensetzen zu können. Sie musste einfach mit dem Kopf immer weiter nach unten. Es war nur eine Frage der Zeit, wann es zu diesem verdammten Kuss kommen würde.
Sie gab es auf, sich zu wehren. Nur den Kopf drückte sie noch gegen den Griff, was aber nichts brachte.
Ein letzter Druck, ein Ruck nach unten, und es passierte!
Das gesamte Gesicht bohrte sich in das stinkende Fell des Götzen. Im letzten Augenblick war es Julie noch gelungen, den Mund zu schließen, trotzdem spürte sie die Haare überall. Auf den Lippen, an den Wangen, der Stirn, an den Augen, die sie geschlossen hatte.
Van Akkeren hielt sie weiterhin fest. Er gab ihr, nicht die geringste Chance. Die ablaufenden Sekunden wurden für Julie zu einer Qual. Sie betete darum, sich von der Klammer befreien zu können, aber das war nicht möglich.
Die Luft wurde ihr genommen. Julie hatte zuvor nicht eingeatmet, und sie fragte sich, wie lange sie es noch schaffen konnte, die Luft anzuhalten. Irgendwann musste sie den Mund öffnen und so in einen noch direkteren Kontakt mit dem Götzen zu gelangen.
Ihr Herz schlug so schnell und hart, wie
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