1252 - Spur in die Vergangenheit
sie es noch nie erlebt hatte. Sie »schrie« nach Luft. Sie sah, obwohl sie die Augen geschlossen hielt, aber es waren nur rote Kreise, die vor ihren Augen tanzten und irgendwann zerplatzten.
Ich kann nicht mehr! Ich kann nicht mehr! Ich muss Luft holen! Ich ersticke sonst!
Julie war nicht klar, dass sie, auch wenn sie den Mund geöffnet hatte, keine Luft mehr bekommen würde, denn zu brutal war er gegen den Götzen gepresst worden.
Dann erfasste sie der Ruck!
Diesmal allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Van Akkeren riss ihren Kopf wieder hoch, und Julie öffnete den Mund. Sie konnte es nicht fassen, glaubte an einen Traum, aber sie hörte genau, wie sie nach Luft schnappte. Dieses Saugen, dieses Keuchen, ein Greifen wie nach dem letzten Rettungsanker.
Was in ihrer Umgebung passierte, sah sie nicht, noch immer waren die roten Kreise vor ihren Augen nicht verschwunden. Die Wirklichkeit schien weit zurückzuliegen, als sie plötzlich den heftigen Stoß spürte, den van Akkeren ihr gegeben hatte.
Julie war nicht in der Lage, sich auf den Beinen zu halten. Sie stolperte ins Leere hinein, verstolperte sich dann und landete hart auf dem Boden. Sie konnte sich etwas nach hinten wegrollen, so bekam sie den Aufprall nicht so hart mit.
Es war nicht schlimm. Für Julie zählte nur, dass sie wieder Luft bekam. Beruhigt hatte sie sich noch nicht. Durch den weit geöffneten Mund saugte sie die Luft ein. Auch im Liegen spürte sie den Schwindel, und ein paar Mal hatte sie das Gefühl, einfach über den Boden hinwegzuschweben.
Auch drangen Stimmen an ihre Ohren. Männer unterhielten sich. Sie hörte das harte Lachen des van Akkeren und war zugleich wieder soweit auf dem Damm, dass ihr die Geräusche der Schritte nicht entgingen, die sich ihr näherten.
Van Akkeren kam zu ihr. Er musste durch den Widerschein des Kaminfeuers schreiten, sodass seine hochgewachsene Gestalt zu einem grotesken Schatten deformiert wurde. Sie hatte das Gefühl, ein Monster würde in ihre Nähe kommen.
Julie blieb auf dem Rücken liegen. Sie fühlte sich zudem nicht in der Lage, aufzustehen. Sie blickte in die Höhe und sah van Akkeren dicht vor sich.
Er blickte auf sie herab. Ein düsteres Gesicht, dunkle und böse Augen. Lippen, die sich zu einem kalten Grinsen verzogen. Er zeigte seinen Triumph deutlich.
»Du hast verloren, Julie. Du hast erlebt, wie es ist, wenn man einen Dämon küsst. Du bist die Gefangene der Herrscher. Und du wirst uns das letzte Stück des Wegs zeigen.«
Sie hatte jedes Wort gehört, denn mittlerweile konnte sich Julie wieder auf die Umwelt konzentrieren. Nur wusste sie mit dieser kurzen Rede nichts anzufangen.
»Sag was!«
»Bitte«, flüsterte Julie. »Bitte, ich weiß nicht, was Sie von mir wollen. Ich kann Ihnen nicht helfen. Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nicht, was Sie…«
»Doch, du hast Ahnung!«
»Nein!«
»Steh auf!«
Julie war froh, dass van Akkeren dies gesagt hatte. Sie selbst hätte sich nicht getraut, und so kam sie langsam auf die Beine, wobei sie den Grusel-Star nicht aus den Augen ließ, der sich ziemlich lässig gab und die Hände in die Seiten gestemmt hatte.
Als Julie stand, musste sie gegen das Zittern in den Knien ankämpfen. Sie blickte sich behutsam um und entdeckte im Hintergrund die beiden Männer, die sie hergeschafft hatten. Sie standen dort wie Aufpasser, denen nichts entging.
Vincent van Akkeren gab sich gelassen. »Du weißt, was ich von dir will, Maria?«
Widerstand baute sich in Julie auf.
Sie hasste es, mit einem fremden Namen angesprochen zu werden. »Ich bin nicht Maria. Ich heiße nicht so. Merken Sie sich das. Ich bin Julie Ritter, ich habe mit der anderen nichts zu tun.«
Van Akkeren amüsierte sich so sehr, dass er sogar lachte. »Warum lügst du? Warum verschweigst du die Tatsachen? Warum willst du das nicht wissen?«
»Weil es nicht stimmt!«
»Irrtum. Du bist einmal Maria Magdalena gewesen. Ich will, dass du dich erinnerst. Und du wirst dich erinnern, das schwöre ich dir!«
»Nein!«, schrie sie ihn an. »Das geht nicht. Ich kann mich nicht erinnern. Es ist unmöglich.« Sie musste den Mann überzeugen und plauderte aus dem Nähkästchen. »Den gleichen Gedanken hatte auch John Sinclair, aber selbst er hat es nicht geschafft. Es klappte nicht. Warum sehen Sie das nicht endlich ein?«
»Sinclair?«, höhnte van Akkeren. »Wer ist schon Sinclair? Ein Narr, der sich den falschen Werten verschrieben hat.«
»Nein, es sind die richtigen! Sie sind auf dem
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