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127 - Das Aruula-Projekt

127 - Das Aruula-Projekt

Titel: 127 - Das Aruula-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Montillon
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gab. Zumindest hatte noch keines ihrer zahlreichen Opfer sie nach dem Tode heimgesucht.
    Dass es allerdings eine Jenseitswelt gab, stand für sie außer Frage. Denn schließlich lebten dort jene Wesen, die sie eines Tages treffen würde.
    In einem Anflug von Vertrauen zog Ninian ihren größten Schatz aus einer Tasche an ihrer rechten Taille hervor.
    Vorsichtig klappte sie das schmale Kästchen aus Rosenholz auf und holte das zusammengerollte Papier hervor.
    Vorsichtig entrollte sie es, warf einen kurzen Blick auf das kostbare Bild und hielt es dann so, dass Aruula es sehen konnte.
    Es war ihr, als zeige sich Erkennen auf dem Gesicht der Anderen, und ihr Herz überging einen Schlag.
    Konnte das sein?
    Konnte Aruula bereits einmal einem Aynjel begegnet sein?
    ***
    Vergangenheit, 2510, irgendwo in Meeraka
    Ninian weinte stille Tränen.
    Sie saß in einer dunklen Ecke des unheimlichen Gefährts und wurde bei jeder Unebenheit des Weges heftig durchgeschüttelt. Einmal holperten die Räder so heftig, dass Ninian sich den Kopf an der seitlichen Holzwandung stieß. Sie unterdrückte den Schmerz. Darin war sie in den letzten Monaten eine wahre Meisterin geworden.
    Es war das erste Mal seit vielen Monaten, dass sie sich Tränen erlaubte.
    Das erste und zugleich das letzte Mal, das schwor sie sich.
    Im Grunde genommen war sie froh, von ihren Verwandten wegzukommen. Vor allem von Karell. Ihr Onkel war ein dicker und hässlicher Mann, der seine Familie immer wieder mit seinem Jähzorn in Angst und Schrecken versetzte. Selbst seine Frau duckte sich unwillkürlich, wenn er auf sie zutrat.
    Anfangs hatte auch Ninian vor ihm auch Angst gehabt, doch sie hatte zu ihm gehalten, weil er sie nach dem Tod ihrer Eltern in sein Haus aufgenommen hatte.
    Doch dann hatte er sie verspottet. Warum sie immer flüstere? Warum sie immer nur leise Laute von sich gebe?
    Sprich laut, Kind, sonst verstehe ich dich nicht. Und hör auf zu heulen! Seine eigenen Söhne hatten gelacht und miteinander getuschelt.
    Kaum war Karell dann verschwunden, äfften sie sie nach und gaben heiseres Gekrächze von sich, bevor sie sich lachend auf die Schenkel schlugen.
    Also hatte sie beschlossen, gar nicht mehr zu reden. Wozu auch?
    Karell bezeichnete ihren Entschluss als Eigensinn und Schikane und begann sie zu schlagen.
    Drei Jahre ging das so, und sie spürte immer mehr, dass sie unerwünscht war.
    Wenn du nicht so ein verdammt hübsches Gesicht hättest, würde ich dich totschlagen, hatte Toony, der sechzehnjährige Sohn und Erbe des Hauses gesagt und sie auf eine seltsame Art und Weise angesehen. Nur schade, dass ich noch mindestens fünf Jahre warten muss, bis ich mit dir etwas anfangen kann.
    Bist ja noch ein verdammtes Kind.
    »Verdammt« war sein Lieblingswort gewesen. Sein
    »verdammtes Lieblingswort«, wie er gerne betonte.
    Dann waren die Sklavenhändler gekommen, und von ihrem Platz in der Küche aus hatte Ninian gesehen, wie zwei Kisten voll mit Nahrungsmitteln in Karells Haus geschafft wurden.
    Ein großer Mann war zu ihr gekommen und hatte sie am Arm gepackt. »Für dich werden wir einen hübschen Preis erzielen«, hatte er gesagt.
    Dann hatte er sie aus dem Haus gezerrt. Nur Toony sah ihr fast bedauernd nach.
    Das war einige Stunden her, und seitdem saß sie hier in dieser Ecke. Sie war nicht allein in dem Wagen, doch sie war das Jüngste der etwa zehn Sklavenkinder, die hier zusammengepfercht worden waren. Das hatte sie schnell erkannt, denn nur weil sie nicht redete, hieß das nicht, dass sie dumm war.
    Keines der Kinder sprach sie an, nur einige der Jungen schauten ab und zu herüber und musterten sie.
    Die Fahrt verlangsamte sich und der Wagen kam schließlich zum Stehen. Dann wurde die Tür aufgerissen und Ninian schloss geblendet die Augen.
    »Raus mit euch, aber rasch!« Die Frauenstimme, die die Kinder aufschrecken ließ, war es gewohnt, Befehle zu erteilen.
    Doch es war keine unangenehme Stimme – irgendetwas an ihr erinnerte Ninian an ihre tote Mutter.
    Alle Sklavenkinder erhoben sich aus ihrer zusammengekauerten Haltung, sprangen nacheinander aus dem Wagen. Eines der Mädchen, ein plump aussehendes, dickes Ding mit braunen Haaren, die lockig und verfilzt um ihr pausbäckiges Gesicht hingen, weinte dabei.
    Ninian selbst hatte ihre Tränen längst gestoppt und aus den Augen gewischt.
    Als sie ebenfalls die Tür erreichte, sah sie, dass die Frau neben dem Wagen stand. Sie hatte lange, aber dünne graubraune Haare, die ein verhärmtes Gesicht

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