1270 - Belials Liebling
Häuser huschten vorbei. Manchmal ballten sie sich zu Siedlungen zusammen, dann wiederum waren sie auseinander gezogen. Firmen auf der grünen Wiese hatten ihre Hallen und Büros hochgezogen, weil hier die Mieten noch einigermaßen erträglich waren. Auch an den flachen Bauten der Supermärkte rollten wir vorbei und sahen einige kleinere Geschäfte, die sich eingemietet hatten. Dort konnte man zumeist Lebensmittel kaufen. Wenn ich daran dachte, spürte ich meinen Hunger.
»Du sagst so wenig«, meinte Suko.
Ich hob die Schultern. »Wenn du ihn gesehen hättest und dazu das Mädchen, wärst du auch still.«
»Kann ich mir denken.«
»Was hat er vor?« fragte ich.
Suko gab mir die Antwort. Leider bestand sie nur aus einem Achselzucken.
Ich schaute weiterhin nach vorn und sah die Schatten- und Lichtspiele über die Frontscheibe huschen. Es sah aus, als wären Geister dabei, mit ihren schnellen Fingern etwas zu zeichnen und ebenso schnell wieder auszuwischen.
Vögel hatten ihren Spaß in der klaren Luft. Ich beobachtete sie immer wieder gern.
Suko bog von der normalen Straße bereits ab. Wir befanden uns auf dem direkten Weg zum Heim.
Einen in der Nähe liegenden Ort, in dem auch die Kinder zur Schule gingen, hatten wir umfahren, dann jedoch wurden unsere Augen groß, denn ein kleiner Transporter kam uns entgegen. Entweder wich er aus oder wir.
Beide bemühten wir uns. Der Fahrer winkte uns beim Vorbeifahren noch lässig zu. Die Seitenwände seines Autos wurden als Reklameflächen benutzt. Darauf wurde für frisches Gemüse und Obst geworben, das ein Gartenzwerg mit Sprechblase vor dem Mund anpries.
Nachdem uns der Wagen passiert hatte, dauerte es nicht mehr lange, bis das Haus und der kleine Park mit den Laubbäumen auf den gepflegten Rasenflächen in Sicht kamen. Selbst der Spielplatz wirkte aufgeräumter als anderswo.
»Nett hier«, sagte Suko.
»Habe ich dir doch gesagt.«
»Und so still.«
»Die meisten Kinder sind in der Schule.«
Suko fuhr näher an das Haus heran. Wir waren wieder still geworden. Alles sah so nach heiler Welt aus, und ich konnte mir mein mulmiges Gefühl beim besten Willen nicht erklären. Es sah mir hier zu glatt aus, als hätte jemand Tünche über die Landschaft gelegt, nur um das Grauen zu verdecken, das später plötzlich wie ein lachender Kastenteufel aus dem Verborgenen sprang und die Menschen attackierte.
Als die Magie des Lügenengels das Gelände überdeckt hatte, war es mit dem Fahren des Rovers vorbei gewesen. Das traf jetzt nicht mehr zu. Hier stotterte kein Motor, hier fiel keine Elektrik aus.
Wir hielten völlig normal an.
»Weißt du, was mich wundert?«, fragte Suko, als er den Sicherheitsgurt zurückfahren ließ, »mich wundert, dass sich Sina Franklin noch nicht gezeigt hat. Wo sie doch darum gebeten hat, dass wir schnell zu ihr kommen sollen.«
»Genau das wundert mich auch.« Ich hatte bei dieser Antwort nicht gelogen und schüttelte schon den Kopf, denn der unmittelbare Bereich des Eingangs war leer. Ich sah auch kein Kind und keinen Mitarbeiter aus dem Heim.
Trotzdem war das Haus nicht tot, denn aus einem geöffneten Fenster wehte Musik. Süd- oder mittelamerikanische Klänge, die sicherlich hoffnungsvoll und optimistisch klangen, mir in meiner Verfassung allerdings nicht so vorkamen.
Ich ging mit ziemlich langen Schritten auf den Eingang zu und fühlte mich dabei irgendwie getrieben.
Sehr bald hatte mich Suko eingeholt. Seine Frage gab er mir mit den Augen. Er wollte wissen, wohin wir uns zu wenden hatten. Ich wies auf eine Tür, die zum Büro der Heimleiterin führte. Ihr Name stand auf einem Schild an der Wand.
Noch immer bewegten wir uns durch die Stille. Nur einmal hörten wir ein leises Lachen von oben.
Ich klopfte aus irgendeinem Grund nicht an, zog die Tür auf und brauchte nicht erst weiter zu gehen, denn das Büro war leer. Ich hatte erwartet, Sina Franklin hinter dem Schreibtisch sitzen zu sehen.
Das traf leider nicht zu.
»Auch negativ«, murmelte ich.
»Ist sie weg?«
Ich schloss die Tür wieder. Im Umwenden schüttelte ich den Kopf. »Das kann ich nicht glauben.«
»Wo kann sie dann sein?«
»Wir werden sie wohl suchen müssen und…« Ich unterbrach mich, denn Suko hatte mit einer raschen Bewegung einen Finger gegen die Lippen gedrückt. Die Geste verstand ich und hielt zunächst den Mund.
Es dauerte nur knapp zwei Sekunden, da senkte er die Hand wieder. »Ich habe was gehört.«
»Wo und was?«
»Ein Stöhnen, John. Leise,
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