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1272 - Der Geist des Zauberers

1272 - Der Geist des Zauberers

Titel: 1272 - Der Geist des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Gesicht. Beides zusammen bildete eine Drohung, über deren Intensität sie jetzt noch nicht nachdenken konnte, weil es ihr nicht möglich war, klare Gedanken zu fassen.
    Es war der Blick in das Unheil, das möglicherweise auf sie zukam, und sie merkte, wie sie zu frieren begann. Es gab die heiße und die kalte Angst. Diesmal war sie von der kalten erfasst worden, die alles in ihr zusammenzog.
    Normalerweise wäre sie jetzt geflohen, nur gab es niemanden, der ihr einen Anstoß gab. Die andere Macht war zu stark, und dieser Klammer konnte sie nicht entfliehen.
    Das fremde Gesicht blieb. Die Fratze schwebte in den Wolken und um sie herum. Ein monströses Etwas, von reinem Grauen erschaffen. Bösartig und mit einem breiten Maul versehen, das sich plötzlich zu einem Grinsen verzog. In den folgenden Sekunden wurde es immer breiter und breiter, und es passierte etwas, was die junge Frau ebenfalls nicht begriff.
    Das Gesicht teilte sich.
    Plötzlich gab es das Gesicht drei Mal!
    Immer das gleiche. Immer mit den bösen, grausamen Augen versehen, die allerdings andere Stellungen hatten und nicht mehr nur geradeaus schauten, sondern auch nach links und nach rechts schielten, als wollten sie jeden Winkel in diesem Zimmer abchecken. Leider hatte sich nur das Gesicht geteilt und nicht die Bösartigkeit. Die Angstmacher waren noch immer vorhanden, und dieses verfluchte Gefühl drang tief in das Herz der Zeugin ein.
    Drei Fratzen in den Wolken, die sich nicht mehr bewegten und einen starren Himmel bildeten. Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, als sie plötzlich in Bewegung gerieten, als wären sie von einem heftigen Luftzug erfasst worden.
    Sie trieben weg, sie trieben auseinander, und sie gaben den Blick auf eine unheimliche Szenerie frei.
    Zuerst glaubte Naomi an einen Irrtum, aber das stimmte nicht, denn was sie jetzt in der Spiegelfläche entdeckte, das war die Szenerie für einen schaurigen Gruselfilm, das war ein uralter Friedhof mit ebenfalls alten Grabsteinen, verwilderten Büschen und auch Wegen oder Gängen, die aussahen, als lägen sie tief in einem Berg versteckt, um dort ein Labyrinth zu bilden.
    Die drei Fratzen schauten aus dem Friedhof nieder. Sie beobachteten ihn, sie waren ihr heimlicher Herrscher, und von diesem verdammten Friedhof her und zugleich aus der Spiegelfläche hervor hörte Naomi eine flüsternde Stimme.
    Wieder glaubte sie zunächst, sich geirrt zu haben, aber das war nicht der Fall.
    Die Stimme blieb.
    Sie sagte etwas, das Naomi auch verstand, als sie genau hinhörte.
    »Tochter… Tochter…«
    Wieder hatte Naomi das Gefühl, noch um eine Idee stärker zu erstarren. Sie wusste ja, dass sie ihren Vater hier in London treffen würde, und hoffte, dass es diesmal klappte, aber nicht auf eine derartige Art und Weise. Das war völlig daneben. Nicht zu fassen und nicht zu erklären.
    Noch immer stand Naomi in der gleichen Haltung und hielt die Hände gegen die Wangen gepresst.
    Sie vernahm das leise Lachen, das aber nicht von ihrem Vater stammte, denn diesmal war es eine andere Stimme, die mit ihr Kontakt aufnahm.
    Düster, drohend, schwer…
    »Ich hole dich… ich werde dich holen. Bald, sehr bald schon… kein Entkommen mehr. Versprechen muss man halten, und wer sie bricht, gerät in die ewige Finsternis der Hölle…«
    Nein, nicht! Das kann nicht wahr sein. O Gott, das ist nicht möglich. Das ist grauenhaft!
    Naomi wollte schreien. Ihr versagte die Stimme. Aber sie schaffte es, die Augen zu schließen, um dieses verdammte Bild im Spiegel nicht mehr sehen zu müssen.
    Wie lange sie auf der Stelle gestanden hatte, wusste sie nicht. Irgendwann rutschten ihre Hände vom Gesicht wieder nach unten.
    Sie wich langsam zurück. Ihr Gehen glich schon mehr einem leichten Taumeln. Als sie gegen den Rand der geräumigen Wanne stieß, sackte sie in die Knie und ließ sich auf dem Wannenrand nieder, ohne dass sie es richtig merkte.
    Sie traute sich noch nicht, die Augen zu öffnen. Erst nach einigen Minuten war sie wieder in der Lage, einen Blick in den Spiegel zu werfen.
    Er war da, und er war normal. Sie sah sich wieder darin und ebenso wie sie auf dem Rand der Wanne saß. Besonders das Gesicht interessierte sie, und sie sah darin, dass das Erlebte nicht spurlos an ihr vorbeigegangen war.
    Die Haut kam ihr grau vor. Eingefallen, alt…
    Sie schüttelte den Kopf. In der Kehle saß ein Kloß, der Blick ihrer dunklen Augen war leer, und sie fragte sich, ob sie sich geirrt hatte und das alles nur ein Wachtraum gewesen

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