1272 - Der Geist des Zauberers
konnten uns die Plätze aussuchen und setzten uns weit genug von den Paaren weg. Es musste nicht jeder hören, was wir zu bereden hatten. Einen Klavierspieler gab es auch, der aber war dabei, seine Noten einzupacken und zu verschwinden. Er machte Feierabend, und so sah sich der Keeper genötigt, die CD einzulegen, die sanfte Hintergrundmusik brachte. Den Swing der Sechziger des letzten Jahrhunderts. Die angenehmen weichen Melodien hörten sich gut an.
Die kleinen Sessel waren gut gepolstert und sehr bequem. Bill lächelte mich an. »So lässt es sich aushalten.« Er ließ seinen Blick über die Wände gleiten, die mit edlem Holz vertäfelt waren. Er hatte inzwischen seine Frau Sheila angerufen, um ihr zu erklären, dass es noch länger dauerte. Auf Einzelheiten allerdings war er nicht eingegangen. Sheila hatte sich damit zufrieden gegeben, und zu großen Nachfragen hatte Bill sie nicht kommen lassen.
Mir wollte der Anblick des Toten nicht aus dem Kopf. Er war vor unseren Augen gestorben. Ausgeblutet, und wir hatten nichts dagegen machen können. Den Grund, einen Fluch, mussten wir akzeptieren, und es war schon verwunderlich, dass die alten Flüche aus vergangenen Zeiten auch heute noch Bestand hatten. Aber man warnte nicht grundlos vor den uralten Riten der Voodoo-Magie, die für diejenigen, die auf sie setzten; eine Religion war.
Die Barkarte war gut bestückt. Ich hätte schon etwas Tolles dort gefunden, aber wir wussten nicht, was uns in der Nacht noch begegnen würde, und so beließen wir es bei Wasser. Der dunkelhäutige Barkeeper in seinem blütenweißen Hemd lächelte trotzdem freundlich.
Wir bekamen das Getränk rasch serviert und hatten es uns wieder in den dunkelgrünen Sesseln bequem gemacht und den ersten Schluck getrunken, als Naomi erschien.
Das musste sie sein. Es gab keine andere Möglichkeit. Sie erschien am Eingang, schaute sich kurz um, betrat die Bar, wurde gesehen, und plötzlich hielten die Gäste den Atem an. Naomi trat ein wie eine Göttin. Das helle Kleid stand ihr gut. Es bildete einen starken Kontrast zu ihrer dunklen Haut.
Über ihre Schulter hatte sie lässig ein hellblaues Tuch drapiert, wahrscheinlich Sommerkaschmir, und sie hielt es mit einer Hand fest, als brauchte sie einfach einen Halt.
Selbst die Männer an der Bartheke unterbrachen ihr Gespräch, als Naomi erschien, und auch die beiden älteren Paare schauten sie an.
»Wau«, sagte Bill, »die Kleine sieht wirklich super aus. So eine Tochter hätte ich Ngoma gar nicht zugetraut.«
»Ich auch nicht, wenn ich ehrlich bin.«
Ihr Erscheinen war toll. Die Bar schien plötzlich Leben bekommen zu haben, und der Keeper konnte gar nicht so breit lächeln wie er wollte.
Naomi befand sich nicht auf einem Laufsteg, und das wusste sie auch. Sie war kurz nach ihrem Eintritt schon stehen geblieben und schaute sich etwas unsicher um.
Ich gab ihr eine Hilfe und hob meinen rechten Arm. Sie sah die Bewegung und kam uns erleichtert vor. Bill und ich standen auf, als sie auf unseren Tisch zuging.
Sie lächelte. Es wirkte nicht echt. Eher etwas gefroren. Abwartend, was wir verstehen konnten, denn sie wusste nicht, mit wem sie es zu tun hatte, aber sie wollte etwas über ihren Vater erfahren, deshalb war sie gekommen.
Wir begrüßten uns per Handschlag, stellten uns noch einmal vor. Ihr Händedruck war fest, aber ich spürte auch die Kühle auf ihrer Haut und bemerkte den etwas flackernden und auch misstrauischen Blick ihrer dunklen Augen.
Sie setzte sich zwischen uns und drehte dem Eingang den Rücken zu. Der Barmann war schnell da, weil Naomi ihm kurz gewunken hatte. Sie bestellte einen doppelten Cognac.
»Den brauche ich jetzt!« kommentierte sie.
»Haben Sie es am Magen?«, erkundigte sich Bill.
»Nein, das nicht.« Sie wollte noch etwas hinzufügen, hatte auch den Mund geöffnet, winkte jedoch ab.
Das Getränk kam schnell. Es wurde auf einem runden Silbertellerchen serviert.
»Danke!« Naomi griff nach dem Glas, trank einen großen Schluck, dann noch einen und stellte das fast leere Glas wieder ab. Danach schloss sie die Augen, lehnte sich zurück und schüttelte sich.
»Besser?«, fragte Bill.
Sie schaute uns an. »Ja, es geht mir jetzt besser. Zumindest sagt man das immer - oder?«
»Richtig.«
Sie fixierte uns beide. Es schien ihr schwer zu fallen, eine erste Frage zu stellen, aber sie überwand sich doch und meinte mit leiser Stimme: »Sie kennen meinen Vater?«
»Ja.«
Naomi hob den Blick und schaute mich an. »Da
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