1272 - Der Geist des Zauberers
Vater.
Er hatte sie wieder mal hängen lassen. Und das fand Naomi nicht mehr lustig. Sie hatte auch keine Lust, länger auf einen Anruf zu warten und nahm sich vor, etwas zu essen. Das wollte sie im Hotel; in der Bar gab es immer diverse Kleinigkeiten.
Nach dem Schlafen hatte sie eine Dusche genommen. Das kurz geschnittene Haar war schnell trocken, und nun stand sie vor dem Spiegel und schüttelte es aus.
Man hatte ihr die Krause genommen. Jetzt konnte sie es glatt kämmen wie ein Mann sein Haar.
Aber sie hätte auch Strähnen bilden können, um sie in die Höhe zu frisieren, doch das hätte wieder mehr Arbeit bedeutet. Dazu hatte sie keine Lust.
Naomi war mit ihrem Aussehen zufrieden. Aus dem Spiegel schaute ihr eine junge Frau entgegen, deren Haut recht hell war. Ein rundes Gesicht mit großen Augen, einem lieben Mund, dem kleinen Kinn und den etwas zu runden Wangen. Sie sah einfach nett aus. Auch dann, wenn sie keine Schminke auf die kaffeebraune Haut aufgetragen hatte.
Mit den Händen strich sie über ihren nackten Körper und freute sich darüber, dass die Haut an allen Stellen noch fest, glatt und geschmeidig war. Die nicht zu großen Brüste standen keck und vorwitzig hervor und waren mit sehr dunklen Knospen bestückt, als hätte man sie in Kakao gedippt.
Schmale Hüften, ein knackiges Hinterteil, lange Beine und schlanke Zehen, deren Nägel sie hellblau lackiert hatte.
In der gleichen Farbe schminkte sie auch ihre Lippen und gab den Lidschatten ebenfalls diesen Farbton. Kurz noch durch das Haar streichen, dann war sie fertig.
Die kleine Suite besaß einen begehbaren Schrank, in den Naomi eintauchte. Dort hing ihre Garderobe, und sie überlegte kurz, was sie für die Bar anziehen sollte.
Die dunklen Netzstrümpfe gefielen ihr. Sie waren von der Farbe her nicht zu hart, sondern abgemildert worden, sodass sie auch zu ihrem hellen Kleid passten, das ihre Figur perfekt umschloss. Die neuen Schuhe ließ sie stehen, die passten nicht dazu, aber um die Schultern hängte sie ein Tuch, dessen blaue Farbe mit der ihrer Lippen, Lidschatten und Zehennägel harmonierte.
Es fehlte noch die kleine Tasche, ebenfalls in Blau, die sie aus einem Regalfach holte.
Sie gehörte nicht zu den Frauen, die unbedingt auf ihre Ernährung achteten und auch achten mussten, weil sie als Models vertraglich gebunden waren. Sie aß, was ihr schmeckte und worauf sie Appetit hatte. Das Zunehmen hielt sich bei ihr in Grenzen, und darüber war sie froh.
Naomi war fertig. Oder fast fertig, denn sie wollte noch ins Bad, um einen Hauch Parfüm aufzulegen.
Auf dem halben Weg dorthin stoppte die junge Frau abrupt. Sie hatte das Gefühl, ihre Schuhe in den dicken, hellen Teppich so weit hineinzudrücken, dass sie bis zu den Knöcheln darin verschwanden, aber das war nur eine Täuschung.
Nur den Kopf schüttelte sie, denn sie hatte etwas gehört, und das passte nicht hierher. Es spielte weder das Radio, noch lief die Glotze, in der Suite war es eigentlich sehr ruhig gewesen, und jetzt dieses seltsame Geräusch.
Naomi gehörte nicht zu den besonders ängstlichen Menschen, aber jetzt, so allein in der Suite, lief ihr schon ein leichter Schauer über den Rücken. Sie hatte das Geräusch auch nicht als normal identifizieren können, es war ihr überhaupt nicht gelungen, ihm auf die Spur zu kommen, und sie wartete tatsächlich auf eine Wiederholung.
Für sie kam nur das Bad als Quelle des Geräuschs in Frage.
Nervosität stieg in ihr hoch. Sie hätte schnell zur Tür laufen und das Zimmer verlassen können, aber das wollte sie nicht. Etwas hinderte sie daran, und sie glaubte auch, nicht mehr allein im Zimmer zu sein.
Auf der Stelle drehte sich Naomi um.
Es war nichts zu sehen.
Der Blick nach vorn brachte sie auch nicht weiter, und so blieb ihr nur die eigene Initiative. Sie musste selbst im Bad nachschauen, ob sich dort etwas verändert hatte. Die Suite war von keinem Fremden betreten worden. Da hätte ein Besucher die Tür öffnen müssen, was von außen her nicht möglich war, weil sie zusätzlich noch den Riegel vorgeschoben hatte.
So leise wie eben möglich näherte sich Naomi dem Ziel. Dabei hatte sie den Eindruck, durch weiches Gras zu laufen, das über ihre Schuhe hinwegschabte.
An der Tür zum Bad blieb sie stehen. Sie leckte über ihre Lippen, als sie die Tür aufdrückte.
Jetzt war der Blick für sie frei!
Die Nervosität blieb, obwohl die junge Frau nichts sah, was sie hätte erschrecken können.
Sie dachte wieder über
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