1272 - Der Geist des Zauberers
schwebten und auch über der Kühlerhaube zu sehen waren. Sie spürte auch den Ruck, der durch den Geländewagen zuckte, als hätte man ihm für einen winzigen Moment Zügel angelegt, um an ihnen zu ziehen.
Naomis Sprachlosigkeit war schnell vorbei. »He, Adam, hast du das gemerkt?«
»Leider.«
Seine Antwort und der Klang seiner Stimme gefielen ihr gar nicht. Plötzlich erfasste sie wieder ein kalter Schauer, und sie warf einen Blick nach rechts.
Adam saß hinter dem Lenkrad. Nur gefiel ihr seine Haltung nicht mehr. Sie war so anders und steif geworden. So fuhr man normalerweise nicht Auto.
»Was ist passiert?«
»Frag lieber nicht.«
»Was soll das? Wir fahren doch!«
»Ja«, flüsterte Adam zurück, »wir fahren, und wir fahren sogar sehr gut, das lass dir mal gesagt sein.«
»Und weiter?«
»Nicht mehr weiter. Wir fahren immer noch.« Er lachte plötzlich so schrill, dass dieses Geräusch in ihren Ohren schmerzte. »Schau doch, wie wir fahren…«
Er nahm beide Hände vom Steuer weg.
Naomi wollte ihn anschreien, hielt ihn auch für verrückt und völlig durchgeknallt, aber sie musste auch einsehen, dass das nicht stimmte. Er hatte sich genau überlegt, was er tat, denn jetzt legte er sogar seine Hände auf die Oberschenkel.
Der Wagen fuhr weiter.
Er rollte geradeaus, aber im Licht der beiden Scheinwerfer tauchte eine enge Kurve auf.
»Lenken!«, schrie sie.
»Nein, das muss ich nicht!«
Naomi wollte ihn noch mal anschreien und auch ins Lenkrad greifen, doch es wäre zu spät gewesen.
Über ihre bereits ausgestreckte Hand schaute sie hinweg und sah, wie sich das Lenkrad von allein nach links drehte…
***
Wir wussten nicht, welchen Weg Adam nehmen würde. Zuerst waren wir davon ausgegangen, dass er wieder zurück zur Bar fahren würde. Den Weg hatte er zumindest eingeschlagen, aber er wechselte die Richtung, und wir rollten nach Süden zu, wobei wir in den östlichen Bereich der Stadt hineingerieten und auch dorthin, wo es noch die alten Hafenanlagen gab.
Über die Blackfriars Bridge gelangten wir in den Stadtteil Southwark, wo wir die östliche Richtung beibehalten mussten.
»Kannst du dir einen Reim darauf machen?«, fragte Bill.
»Im Moment noch nicht.«
Er ging etwas vom Gas, weil er die Distanz zwischen uns vergrößern wollte. »Wenn du mich fragst, dann habe ich den Eindruck, dass sie nach einem Versteck suchen.«
»Kann sein.«
»Traust du Adam denn?«
»Ja«, erwiderte ich. »Er ist ein loyaler Mensch. Auch noch über den Tod seines Chefs hinaus. Nach außen hin wirkt er zum Fürchten, aber sein Herz muss weich wie Butter sein.«
»Er hätte uns einweihen können.«
»Stimmt. Aber ich bin Polizist, Bill. Und die Polizisten, die er kennt, sind mehr an das reale Denken gewöhnt. Über Voodoo-Zauber hätten sie nur den Kopf geschüttelt.«
»Da gebe ich dir Recht.«
In der Nacht ließ sich der Verkehr in London gut vertragen. Besonders, wenn man außerhalb der City fuhr, so wie wir. Aber wir achteten genau darauf, dass wir nicht bemerkt wurden. So sorgte Bill dafür, dass sich immer andere Fahrzeuge zwischen uns und den zu Verfolgenden schoben, sodass wir relativ entspannt sein konnten.
»Wir geraten allmählich in die Nähe der Werften und der Piers«, sagte der Reporter.
»Hast du was dagegen?«
»Nein, nicht wirklich. Ich denke nur daran, dass es eine verdammt einsame Gegend ist.«
»Das stimmt.«
Ich hatte die Antwort etwas knirschend gegeben. Diese Fahrt störte mich irgendwie. Es war überhaupt nicht zu erkennen, was Adam vorhatte und wohin er letztendlich sein Auto lenkte. Das konnte überallhin sein, sogar außerhalb der Stadt. Vor allen Dingen wurmte es mich, dass die Umgebung allmählich unübersichtlich wurde. Wir gerieten in den Bereich der Mauern, der Zäune, der Lagerhallen, der leer, stehenden Grundstücke, die allesamt unter der Bewachung hoher Kräne standen, die sich wie die Körper urwelthafter Ungeheuer aus Stahl in die Dunkelheit reckten.
Auch ein Porsche konnte sich nicht über Kopfsteinpflaster freuen, besonders dann nicht, wenn es noch einen schwachen Film aus Feuchtigkeit aufwies.
Bill hätte vom Gas gehen sollen. Als er es merkte, war es zu spät. Plötzlich gerieten wir ins Schlingern. Bill lenkte noch gegen, aber der Porsche war zu sehr in Fahrt gekommen und er bekam ihn nicht mehr zurück in die richtige Spur.
Wir schlitterten leicht nach links gedrückt weiter, und der Poller, der dort stand, machte uns den Weg nicht frei. An meiner Seite
Weitere Kostenlose Bücher