1277 - Der Fanclub
Sheila.
Johnny schaute sich unschlüssig um, als wüsste er noch nicht, was er tun sollte. »Ich glaube, ich werde mich aufs Ohr hauen.«
»Du kannst auch gern noch bei uns bleiben«, bot Sheila ihm an.
»Nein, echt nicht.«
»Okay, dann gute Nacht.«
Johnny strich seiner Mutter übers Haar, klatschte seinen Vater ab und ging davon. Er murmelte noch was von einer Dusche und danach einfach nur abschlafen.
»Du hast ihm nichts erzählt, Bill?«
»Wieso? Hätte ich das tun sollen?«
»Nein, nein, das ist schon besser so. Gewisse Dinge sollte man wirklich für sich behalten. Ich bin froh, dass bei Johnny alles normal läuft. Der Junge hat schon genug durchgemacht. Für Dämonen oder Geister ist sein Vater zuständig.«
»Nicht du, Sheila?«
»Um Himmels willen, lass mich aus dem Spiel. Nein, nein, das möchte ich nicht. Mein Traum ist es nach wie vor, ein normales Leben zu führen, aber das werde ich wohl nie schaffen. Ich wundere mich nur immer wieder, dass ich noch Zeit für meine Hobbys habe.«
»Das ist immerhin etwas.«
»Ja, ja, ich weiß. Gleich wirst du sagen, dass es mein Erbe und mein Schicksal ist, weil ich ja einen Vater hatte, dem gewisse Dinge auch nicht fremd waren.«
»Du nimmst mir das Wort aus dem Mund.«
Sheila griff zum Glas. »Cheers«, sagte sie und stieß mit ihrem Mann an. Als das Klingen der Gläser verstummt war und sie tranken, wurde es wieder still. Nur sehr weit entfernt war das Rauschen von Johnnys Dusche zu hören.
»Langsam werde ich auch müde«, gab Sheila zu und gähnte.
»Wir sind keine Maschinen.«
Sie nickte und ließ ihre Arme schlaff zu beiden Seiten des Stuhls herabhängen. »Hast du eigentlich die Alarmanlage eingeschaltet?«
»Noch nicht.«
»Dann wird es Zeit.«
Bill winkte ab. »Lass mich erst mal austrinken. Das mache ich, wenn ich ins Bett gehe.«
»Aber vergiss es nicht.«
»Keine Sorge.«
Sie schwiegen. Bill streckte Sheila seine Hand entgegen, die sie gern umfasste. Es tat ihnen gut, die Nähe des anderen zu spüren. Sie waren schon lange zusammen, und auch die wildesten Stürme des Lebens hatten ihre Beziehung bisher nicht zerstören können. Beide wünschten sich, dass es auch in der Zukunft so blieb, aber sie wussten auch, dass ihr Dasein manchmal dem Tanz auf einer Rasierklinge glich.
»Was Nadine Berger wohl so treibt?« fragte Sheila.
»He, wie kommst du denn auf sie?«
»Fiel mir gerade so ein.«
»Sie ist in Avalon.«
»Ob es ihr dort gut geht?«
»Ich denke schon.«
Sheila lächelte versonnen. »Ich würde sie gern mal wiedersehen. Manchmal fehlt sie mir schon.«
»Als Wölfin oder als Mensch?«
»Vielleicht beides.«
»Wir können nicht über sie bestimmen. So lange sie sich in Avalon wohl fühlt, ist alles okay.«
»Das hoffe ich für sie. Sogar Johnny hat in der letzten Zeit wieder von ihr gesprochen.«
»Und? Was hat er gesagt?«
»Er möchte sie auch sehen.«
Bill musste lachen. »Das kann ich verstehen. Schließlich ist sie damals die Beschützerin unseres Sohnes gewesen.« Sheila hob die Schultern. »Wie dem auch sei, irgendwann wird es wieder zu einem Treffen zwischen uns kommen.«
»Das glaube ich auch.« Sheila löste ihre Hand aus der ihres Mannes und griff zum Weinglas. Es befand sich nicht mehr viel von der roten Flüssigkeit darin. Sie trank auch den Rest aus und schaute dabei in den dunklen und stillen Garten hinein.
Hinter dem Licht ballte sich die Schwärze zusammen, als wäre dort ein Sack über alles gestülpt worden. Nichts war genau zu erkennen, nichts malte sich ab, und auch auf dem Grundstück des Nachbarn brannte keine Leuchte.
Für Sheila war es eine andere Welt. Hier im Garten und genau an dieser Stelle fühlte sie sich sicher, aber jenseits davon schien sich das Böse zusammenzuballen, und wenn sie daran dachte, kroch eine Gänsehaut über ihre Arme hinweg.
Von irgendwoher ertönte ein Rascheln. Es war ein kurzes Geräusch, das bald wieder verstummte.
Sheila versteifte sich etwas. »Hast du das auch gehört, Bill?«
»Ja.«
»Und?«
»Ein Tier.«
»Hat sich aber nicht so angehört.«
»Denk daran, dass im Sommer hier unsere Igel herumlaufen. Ich bin sicher, dass einer sich wieder durch die Büsche bewegt.«
»Wenn du das meinst.« Sie gähnte und stemmte sich danach in die Höhe. »Ich werde mich jetzt lang machen. Es ist für mich spät genug geworden. Man soll sich nicht mit Gewalt wach halten.«
»Das stimmt.«
Sheila räumte ihr Glas ab. Sie nahm auch die Flasche mit, nachdem ihr
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