1277 - Der Fanclub
Reporter hatte sich zwar irgendwie auf einiges eingestellt, doch mit einer Besucherin hätte er nicht gerechnet. Sie schien vom Himmel gefallen zu sein, sie hätte auch aus der Erde geschossen sein können, in diesem Moment hätte Bill alles akzeptiert. Er konnte auch nicht sagen, wann er zum letzten Mal eine derartige Überraschung erlebt hatte.
Den Schritt, den er vorgegangen war, trat er auch wieder zurück. So standen beide im Licht der Außenleuchte und schauten sich an. Bill hatte seine Sprache noch immer nicht zurückgefunden, und er wusste auch, dass er etwas ganz Dummes sagen würde, deshalb hielt er auch in den folgenden Sekunden den Mund und versuchte, sich ein Bild von der ihm fremden Besucherin zu machen.
Sie konnte nicht älter als 25 sein. Sie trug eine sehr enge dunkle Hose aus Leder. Darüber eine Jeansjacke mit Lederapplikationen, die wie Fetzen auf dem Stoff klebten, und unter der offenen Jacke malten sich Kurven ab, wie sie nur von einer Korsage hervorgehoben wurden. Die nicht sehr kleinen Brüste waren nach oben gestemmt worden. Eine helle Haut, das Gesicht von strähnigen dunklen Haaren umrahmt. Der rote Schimmer innerhalb des Kopfschmucks war ebenfalls nicht zu übersehen. Dunkle Augen schauten Bill an. Eine kleine Nase, ein etwas breiter Mund mit recht dicken Lippen. Insgesamt machte diese junge Frau einen erotischen und zugleich provozierenden Eindruck auf den Reporter.
Daran störte er sich nicht. Er wunderte sich nur, dass sie gerade zu ihm gekommen war, denn so sehr er auch überlegte, er hatte sie noch nie gesehen.
Oder doch?
Seine Gedanken waren noch etwas durcheinander. Ihm fiel auch ein, dass diese Frau eine Bekannte seines Sohnes hätte sein können, aber den Gedanken verwarf er schnell wieder.
Nein, Johnny war noch etwas zu jung für diese Verhältnisse. Seine Freundinnen sahen anders aus.
Ihnen war anzusehen, dass sie noch in die Schule gingen oder sie gerade hinter sich gelassen hatten.
Die Fremde lächelte Bill kokett und auch ein wenig lauernd an. Sie hob dabei ihre Augenbrauen.
»Überrascht?«
Bill musste schlucken. »Kann man wohl sagen. Nicht dass ich etwas gegen Sie hätte, aber für einen Besuch ist diese Zeit schon etwas ungewöhnlich - oder?«
»Kann man so sagen. Man hat mir nur keine andere Möglichkeit gelassen.«
Für Bill sprach die Person noch immer in Rätseln. Er merkte, wie er wieder zu sich selbst fand und allmählich ärgerlich wurde, da half auch das Lächeln nicht viel, aber er spürte zugleich, dass sich in ihm etwas aufbaute, als er über die Stimme nachdachte, die ihm plötzlich nicht mehr so fremd vorkam.
Er war jetzt sicher, dass er sie schon mal gehört hatte. Wenn auch nicht so leise gesprochen, aber der Klang war ihm nicht fremd. Es lag noch nicht lange zurück.
Durch die Bewegung der Frau wurde Bill wieder abgelenkt. Er konnte die eigenen Gedanken nicht verfolgen und hörte sich selbst die Frage stellen, die er gar nicht aussprechen wollte.
»Wer sind Sie?«
»Oh… Bill… Sie sollten mich doch kennen!«
Jetzt hatte sie normal gesprochen. Und plötzlich flammte in seinem Kopf der berühmte Kronleuchter auf. Genau das war die Person, die er schon gesehen und mit der er auch gesprochen hatte. Allerdings nicht bei diesem Aussehen, sondern in der Verkleidung.
Sie hatte vor ihm an dem Tisch gesessen und eine Totenschädelmaske getragen.
Die Besucherin merkte, was in Bill vorging. Sie reagierte auch schneller und schlug ansatzlos mit der rechten Faust zu. Der Schlag war hart, durch einen Schlagring verstärkt, und er traf Bill in Bauchnähe.
Der Reporter hatte das Gefühl, in der Mitte durchgerissen zu werden. Er kam sich vor wie vom Erdboden weggefegt. Die Welt um ihn herum explodierte in einem farbigen Spektrum. Zugleich rasten Schmerzen so stark durch seinen Körper, als wollten sie ihn zersägen. Er riss den Mund weit auf. Es war eine Reflexbewegung, und er realisierte kaum, dass er keine Luft bekam.
Er sah auch die Frau nicht mehr. Die Welt um ihn herum war verschwunden. Er konnte nicht atmen, nicht sprechen, und er war auch nicht in der Lage, sich zu wehren.
Genau darauf hatte die Besucherin gewartet. Sie trat einen kurzen Schritt nach vorn und griff ein, bevor Bill Conolly zusammenbrach. Er knickte zwar ein, aber Ellen Hardy fing ihn mit einer glatten Bewegung ab, sodass er nicht rücklings in das Haus hineinfiel.
Bill lag schräg in ihren Armen. Er hielt die Augen offen, aber Ellen war sicher, dass sie nicht gesehen wurde.
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