1277 - Der Fanclub
Typen wie diese Bande nicht aufgaben. Sie würden sich nach einer gewissen Bedenkzeit wieder fangen und von vorn beginnen.
So dachte auch sein Freund John Sinclair, mit dem zusammen er am nächsten Tag die Recherchen wieder aufnehmen wollte. Beide wussten sie, dass die Frau und ihre vier Helfer nicht blufften. Sie waren auf diesen toten Massenmörder eingeschworen, und Bill fragte sich inzwischen, ob Toby Truth überhaupt tot war. Vom körperlichen her schon, aber er kannte auch andere Vorgänge. Da erfolgte die Rache selbst noch aus dem Totenreich heraus.
Er folgerte auch, dass es den Mitgliedern der Gruppe gelungen war, eine Verbindung zu diesem Killer herzustellen, wie auch immer sie es geschafft haben mochten.
Bill verließ die Dusche und umschlang sich mit dem großen flauschigen Badetuch. In dieser Nacht war er knapp einer persönlichen Katastrophe entkommen. Wäre Sheila nicht so besorgt um ihn gewesen, dann hätte es auch schlimm ausgehen können.
Bill rubbelte seine Haare einigermaßen trocken, zog frische Unterwäsche an, griff zu einem dunklen T-Shirt und zu den kurzen Hosen, die bis zu den Knien reichten.
Bevor er das Fenster schloss, durch das noch der letzte Dampf abzog, warf er einen Blick nach draußen in den Garten. Diese Seite hier lag dunkel vor ihm. Tannen verbargen den Blick zum Nachbarn hin, bei dem kein Licht mehr brannte. Auch die Gartenlaternen waren nicht hell.
Bill beschrieb die Nacht als ungewöhnlich. Das konnte an der Schwüle liegen, die sie so still machte. Wenn er Geräusche hörte, dann klangen sie weit entfernt.
Bill schloss das Fenster wieder. Er wusste, dass Sheila noch nicht zu Bett gegangen war. Beim Umschnallen der Uhr schaute er nach der Zeit. Mitternacht war vorbei und bereits die erste Stunde des Tages angebrochen. Wie er Sheila und sich kannte, würden sie so einfach nicht einschlafen. Sie würden noch über den Fall reden. Außerdem war Bill das seiner Frau schuldig, die ihm praktisch indirekt das Leben gerettet hatte.
Er fand Sheila nicht im Haus, sondern draußen. Die Nacht war so warm, dass man auch im Freien hätte schlafen können. Für die Insel eigentlich ungewöhnlich, doch Ausrutscher dieser Art kamen immer mal vor.
Sheila saß in der Nähe des Hauses. Die große Glastür des Wohnzimmers war geöffnet und nicht wieder geschlossen worden. Auf dem Tisch brannten zwei Windlichter. Die Kerzen standen in tulpenähnlichen Gefäßen und bauten eine kleine Insel inmitten der Dunkelheit auf. Das Licht und auch die Schatten erreichten Sheila und gaben ihr einen besonderen Glanz, weil sich beides auf ihrem blonden Haar fing. Sie trug eine weiße Caprihose, Riemchen-Sandalen an den nackten Füßen und hatte sich über den Oberkörper eine Hemdbluse geworfen, die sehr locker fiel. Manchmal bewegte sich der Stoff im leichten Wind.
Eine Rotweinflasche hatte sich zu zwei Gläsern gesellt. In einem war bereits der Rotwein zu sehen.
Bill musste lächeln, als er das friedliche Bild sah. Es war das glatte Gegenteil dessen, was er erlebt hatte.
Kein Horror. Keine Gewalt, der reine Frieden. Es tat gut, so etwas zu genießen, auch wenn dieser Frieden oft trügerisch war.
»Du kannst ruhig kommen, Bill, ich habe dich schon gesehen«, hörte er Sheilas Stimme.
»Gleich.«
»Warum?«
»Es ist ein schönes Bild. Ich will es genießen. Das glatte Gegenteil zu dem, was ich hinter mir habe.«
»Deine Schuld, Bill. Du hättest ablehnen können.«
»Es war mein Job.«
»Soll ich lachen?«
Bill schlenderte näher. »Außerdem konnte ich nicht wissen, dass sich die Dinge so entwickeln würden.«
»Das stimmt, Bill. Dir fehlt eben der Draht dazu. Zum Glück habe ich anders gedacht.«
»Darüber bin ich in diesem Fall auch froh.« Bill hatte seine Frau erreicht. Er blieb hinter ihr stehen, beugte den Kopf weit nach vorn und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn.
Sheila hob die Hände und strich damit über Bills Wangen hinweg. »Toll, dass du es einsiehst.«
»Es ist eben unser Schicksal, dass wir immer wieder in Probleme mit hineingezogen werden. Da können wir bis ans Ende der Welt ziehen. Dort wird es auch kaum anders sein.«
»Keine Ahnung«, erwiderte Sheila leise. »Ich denke nur, dass man auch vorsichtiger sein kann. Man sollte immer abwägen, ob es sich lohnt, voll einzusteigen.«
»Das weiß man in meinem Job nie.«
Sheila ließ ihre Hände sinken. »Genau das ist das Problem. Man weiß es nie.«
Bill nahm auf dem zweiten Stuhl Platz, der Sheila gegenüberstand.
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