1278 - Das Mord-Gespenst
Lage.«
Bevor ich noch etwas sagen konnte, hatte Bill aufgelegt. Suko, der das Gespräch über Lautsprecher mitgehört hatte, hob nur die Schultern und nickte mir dann zu. »Hast du etwas anderes erwartet, John?«
»Komm«, sagte ich nur und befand mich schon auf dem Weg zur Tür…
***
Der Reporter steckte sein Handy wieder weg und konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.
Er kannte ja seinen Freund John Sinclair. Der würde sich darüber ärgern, dass Bill bereits einen Schritt nach vorn gegangen war, aber der Reporter hatte sich nicht zurückhalten können, denn schließlich war durch ihn der verdammte Fall erst ins Rollen gekommen.
In seiner Umgebung wurde gearbeitet. Die Ladung der Schiffe musste so schnell wie möglich gelöscht werden. Jede Stunde Aufenthalt im Hafen kostete Geld. Deshalb herrschte um ihn herum auch viel Hektik. Er hörte das Kreischen der Winden, er sah die langen Arme der Kräne, er beobachtete die Lastwagen und Gabelstapler. Er sah die Arbeiter, die im Akkord schufteten, das schmutziggraue Wasser und den feinen Regen, der aus den tief liegenden Wolken fiel und alles durchnässte.
Bill hatte die Kaschemme noch nicht betreten. Er hatte auch keine anderen Gäste gesehen, die zu dieser frühen Stunde kamen, um sich vollzuschütten.
Die Alkis schliefen noch den Rausch der vergangenen Nacht aus. Am Ufer oder unter irgendwelchen Brücken und in anderen entsprechenden Unterkünften.
Die Kaschemme nahm den unteren Teil eines grauen Gebäudes ein. Auf dem Vorsprung über dem Eingang war ein Seemann angebracht worden. Er hatte der Kneipe den Namen gegeben. Früher musste die Figur mal bunt gewesen sein. Die Farbe war im Laufe der Zeit verschwunden. Jetzt waren die blauen Hemdstreifen nicht mehr zu sehen. So hatte der Seemann ein graues Outfit bekommen. Gegen sein übergroßes grinsendes Gesicht waren wohl Flaschen und Steine frustrierter Gäste geworfen worden. Jetzt sah es aus, als hätte die Figur Pockennarben bekommen.
Die Tür war durch einen Keil offen gestellt worden. Hin und wieder erschien eine Frau, die jedes Mal einen Eimer Schmutzwasser auskippte. Bill wunderte sich darüber, dass hier geputzt wurde.
Damit hatte er beim Anblick des Lokals nicht gerechnet.
Als die Putzfrau wieder mal eine Pause einlegte, nutzte Bill die Chance, um die Kaschemme zu betreten. Er gelangte in eine Bude, die sehr düster war. Ihm kamen die Scheiben der Fenster ebenso grau vor wie der Himmel, und deshalb sickerte auch nicht viel Licht in den Raum, in dem die alten Stühle auf den Tischen standen, weil noch geputzt wurde. Die Frau mit dem Eimer und dem Lappen sagte etwas zu Bill, was er nicht verstand. Bevor er nachfragen konnte, öffnete sich eine Seitentür, und es erschien eine sagenhaft dicke Frau mit wogendem Busen und grellblond gefärbten Lockenhaaren.
Für einen Moment hielt der Reporter den Atem an. Diese Person kam ihm vor wie das Abziehbild eines Menschen. Sie hätte wirklich jede Comedy-Serie bereichert.
Der wogende Busen war unter einem graublauen Pullover und dem Latz einer Schürze versteckt.
Der Unterkörper der Frau steckte in einer Jogginghose, die ebenfalls gewaltige Ausmaße besaß und durch ein dickes Gummiband festgehalten wurde, wie Bill erkannte, als die Frau auf ihn zukam und er auch ihre Seite sehen konnte.
Das Gesicht war recht nett. Rund, faltenlos, beinahe wie das einer Puppe.
Die Stimme der Frau hörte sich so rau an wie die eines Mannes.
»Es gibt noch nichts. Wenn du Durst hast, leg deinen Kopf in den Nacken und halte deinen offenen Mund gegen den Regen.«
Die rauen Sitten passten zu der Stimme. Bill, der sich nicht so leicht einschüchtern ließ, schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid, aber ich mag kein Regenwasser.«
»Dann kann ich dir auch nicht helfen. Außerdem habe ich dich noch nie hier gesehen.«
»Ich passe wohl nicht zu den Gästen?«
»Richtig, du Schnellmerker.«
Bill Conolly ging trotzdem in Richtung Theke, und die Wirtin musste ihm zwangsläufig folgen, was sie nicht gern tat, wie ihre leisen Flüche bewiesen.
Der Reporter blieb an der Theke stehen und stützte seinen rechten Ellbogen auf den Handlauf. »Die Sache ist die, Madam«, begann er. »Ich will eigentlich nichts trinken, ich hätte nur einige Fragen.«
»Noch schlimmer.«
»Warten Sie mal ab.«
Die Augen der Frau verengten sich. »Bist du ein Bulle?«
»Habe ich vier Beine? Wenn ich die hätte, dann wäre ich längst im Zirkus.«
Die Frau lachte glucksend, und ihre raue
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