1278 - Das Mord-Gespenst
überwunden. Es war erstaunlich, wie schnell sie sich trotz ihrer Körperfülle bewegte. Und sie hatte sich mit einer Flasche bewaffnet.
Bevor Paul seinen Stuhl gegen den erst halb in die Höhe gekommenen Bill Conolly schlagen konnte, war die Flasche bereits unterwegs und erwischte den Hinterkopf des Mannes.
Paul schlug nicht mehr zu.
Er schien in die Höhe zucken zu wollen, um gegen die Decke zu springen. So jedenfalls sah es im ersten Moment aus. Dann trat genau das Gegenteil dessen ein.
Er brach auf der Stelle zusammen. Der Stuhl rutschte ihm dabei aus den erschlafften Händen, und eine Sekunde später landete er bäuchlings auf ihm.
Die Wirtin war stehen geblieben. Die Hand mit der leeren Flasche hatte sie sinken lassen. Das Glas war nicht zersplittert, aber sie musste einen Kommentar abgeben. »Nicht in meiner Kneipe. Nicht bei mir. Ich hasse es, wenn jemand mit einem Messer herumfuchtelt und andere abstechen will. Ich hasse überhaupt Messer, verdammt noch mal.«
Bill hatte sich wieder aufgerappelt. Er sah, dass er seine Waffe nicht mehr brauchte. Paul hing wie ein Sack über dem gefallenen Stuhl. »Danke, vielen Dank. Das hätte für mich dumm laufen können.«
»Du hättest schneller sein müssen.«
»Wahrscheinlich.«
»Typen, die mit Messern stechen, sind heimtückische Schweine«, erklärte die Frau. »Das weiß ich, und das hasse ich. Nicht in meiner Kneipe. Da ist es egal, wer das ist. Selbst bei Paul lasse ich so etwas nicht durch.«
»Wussten Sie, dass er gern mit dem Messer spielt?«
»Nein. So gut kannte ich ihn nicht. Er hat auf mich und auf meine Gäste immer einen recht harmlosen Eindruck gemacht. An irgendwelcher Gewalt hat er sich nie beteiligt. Ab und zu kommt es hier zu Streitigkeiten. Die können mit den Fäusten ausgetragen werden, aber nicht mit den verdammten Messern oder mit Schusswaffen.«
Die Ansicht der Frau war sehr vernünftig. Nur mussten sich die Gäste auch daran halten, und da gab es immer wieder welche, die diese Grenze überschritten.
»Was willst du jetzt machen?«, fragte die Wirtin.
Bill deutete auf Paul. »Ich werde mich um ihn kümmern. Mal sehen, was er zu sagen hat.«
»Der ist bewusstlos.«
Bill winkte ab. »Das ist nicht neu für ihn.« Er grinste die Wirtin an. »Wie heißen Sie eigentlich?«
»Alle sagen Edna.«
»Okay, dann sage ich das auch.«
»Gut.« Sie schaute zu, wie sich Bill um den Bewusstlosen kümmerte, ihn vom Stuhl wegnahm und auf den Rücken drehte. »Ich hole mal Wasser, das geht dann schneller.«
Edna war eine Frau der Tat. Sie verschwand wieder hinter der Theke und ließ einen Krug mit Wasser voll laufen. Vor sich hinsummend, kehrte sie zurück und blickte auf Paul nieder, der wieder dabei war, den Weg zurück in die Normalität zu finden, denn aus seinem Mund drang ein leises Stöhnen.
Es reichte Edna trotzdem nicht. Sie stellte sich in Positur und leerte den Krug über dem Kopf des Messerhelden aus.
Die kalte Ladung klatschte ihm ins Gesicht. Edna lachte dazu, als sie sah, wie der fast noch Bewusstlose zusammenzuckte und einen erstickt klingenden Laut von sich gab.
»Der ist bald wieder da.«
»Denke ich auch«, sagte Bill. »Und was tun wir dann?«
»Sie nichts, Edna, aber ich.«
Sie stand neben Paul und hatte die Hände der angewinkelten Arme in die Hüften gestemmt. »Ich weiß immer noch nicht, was dieser Typ eigentlich angestellt hat.«
»Bisher noch nicht viel«, antwortete Bill, »aber das kann sich leicht ändern.«
»Wieso?«
»Er und seine Freunde haben einen Fanclub gegründet.«
Edna musste lachen. »Das ist nichts Schlimmes.«
»Nein, im Prinzip nicht. Aber wenn es der Fanclub eines Massenmörders ist, sieht die Sache schon ganz anders aus.«
Zum ersten Mal war Edna sprachlos geworden. Sie starrte Bill an, als könnte sie ihm kein Wort glauben. »Wie… wie…«, stotterte sie. »Wie kann es dazu nur kommen? Massenmörder? Der Fanclub eines Massenmörders? Das kann ich nicht begreifen, das ist…«
»Die volle Wahrheit.«
»Scheiße«, flüsterte sie. »Wie heißt denn der Mörder?«
»Tobias Truth!«
»Kenne ich nicht.«
»Kein Wunder. Seine Taten liegen auch schon über achtzig Jahre zurück. Man hat sich erst jetzt wieder an ihn erinnert.«
»Und warum das?«
»Da bin ich überfragt.«
Edna schüttelte den Kopf, während sie über ihre nächste Frage nachdachte. »Aber was tut der Fanclub eines Massenmörders? Kannst du mir das sagen?«
»Lieber nicht.«
Die Wirtin hatte den Reporter
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