1282 - Die Gier der schönen Mumie
war dort zu einer riesigen Blutorange geworden.
Zum Haus gehörten recht breite Balkone, und so bereitete es keine Probleme, dort einen Grill aufzubauen, was Harry Stahl auch getan hatte. Es stand auch Bier bereit, Brot lag in einem Korb, mehrere Soßen waren in Schüsseln aufgereiht und das kühle Bier schaute mit seinen Flaschenhälsen aus einem Eiskübel.
»Sie sind auf die Minute gekommen«, sagte Harry. »Die Bratwürste sind schon fertig. Nur die Koteletts brauchen noch ein paar Minuten.«
»Machen Sie sich nur keine Umstände, Herr Stahl.«
»Das ist keine Arbeit. Ich bin froh, an diesem Abend Gesellschaft zu haben.«
Dirk lächelte etwas schief, bevor er in dem hellen Gartenstuhl mit dem dicken Polster Platz nahm.
»Ich weiß nicht, ob Sie auch dann noch froh sein werden, wenn ich Ihnen alles erzählt habe, was passiert ist.«
»Ah, da machen Sie sich mal keine Sorgen.« Harry schlug seinem Gast locker auf die Schulter.
»Denken Sie daran, dass nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht ist. So, und hier ist die erste Wurst.« Er nahm eine Zange, hob das Würstchen vom Grill hoch und deponierte es auf den Teller seines Gastes. Danach verschwand er, um den Salat zu holen, der noch im Kühlschrank stand.
»Hätte ich doch fast vergessen. Dabei hat ihn Dagmar extra zubereitet. Das ist eine Spezialmischung von ihr. Dunkle Bohnen, dazu klein geschnittene Mettwurst und Zwiebeln. Mir schmeckt er gut.«
Und Dirk Schiller mundete der Salat ebenfalls, wie er nach einer halben Minute erklärte. Er lobte auch die Bratwurst, die er sich zur Currywurst gemacht hatte.
Harry musste lächeln, als er seinen Besucher essen sah.
Das fiel Dirk Schiller auf. »Ist etwas, was Sie stört, Herr Stahl?«
Harry lachte. »Nein, das Gegenteil ist der Fall, wirklich. Ich freue mich, dass es Ihnen so gut schmeckt. Beim Essen der Wurst haben Sie mich an einen Freund aus England erinnert. Immer wenn er in Deutschland ist, dann muss er eine Currywurst verspeisen.«
»Die schmeckt auch toll.«
»Danke. Dagmar hat sie bei einem besonderen Metzger gekauft. Den Tipp hatte sie von einem Arbeitskollegen bekommen. Von einem jungen Mann namens Oliver Döring. Er gilt als anerkannter Currywurst-Experte. Von Berlin bis Aachen weiß er die besten Buden. Behauptet er zumindest.«
»Damit hat er wohl Recht.«
Auch Harry Stahl aß jetzt. Er nahm die Bratwurst so wie sie war, aber er vergaß neben aller Lockerheit nicht, hin und wieder einen Blick auf sein Gegenüber zu werfen, und da fiel ihm schon auf, dass Dirk Schiller alles andere als entspannt war. Er aß, aber man sah ihm an, dass er mit den Gedanken woanders war.
Harry hatte auch Bier eingeschenkt. Hin und wieder tranken die Männer einen Schluck. Sie sprachen auch über den Sommer und über die starke Hitze, die vorbei war, natürlich über die Flutwelle im Nordosten und über die Versäumnisse der Menschen, die es dem Wasser erst erlaubt hatten, sich richtig auszubreiten.
Dass Dirk Schiller allein gekommen war, hatte seinen Sinn. Harry wusste das, aber er fragte seinen Gast nicht danach, denn genau da schien das Problem zu liegen. Schon bei der Verabredung hatte Dirk davon gesprochen, dass es um seine Partnerin ging. Natürlich hatte Harry spekuliert, und er war nicht Dagmars Meinung gewesen, die von Eheproblemen gesprochen hatte.
Hin und wieder glitt Harrys Blick über die Balkonbrüstung hinweg nach unten in den Garten, der eigentlich keiner war, sondern mehr eine Anlage, die zwischen den Häusern angelegt worden war.
Durch die Lücken glitt der Blick hinweg bis zu den Weinbergen des Rheingaus.
Nach einer Wurst und einem Kotelett musste der Gast passen. »Tut mir Leid, aber ich schaffe nichts mehr.«
»Das ist schade.«
»Stimmt, doch ich befinde mich in einem Zustand…«, er hob hilflos die Schultern. »Es ist das erste Mal nach einer ziemlich langen Zeit, dass ich etwas esse.«
Harry schenkte ihm Bier nach. »Wenn ich das richtig verstehe, haben Sie Probleme.«
Dirk hob den Blick. »Probleme? Das ist der falsche Ausdruck. Es ist der blanke Horror, der mir widerfahren ist. Und dabei geht es um meine Frau, Herr Stahl.«
Harry dachte an Dagmars Annahme und fragte: »Partnerschaftsprobleme, Herr Schiller?«
»Nein, das kann man wirklich nicht sagen. Es dreht sich wirklich um etwas völlig anderes.« Er war jetzt beim Thema und sprach auch weiter. »Ich bin deshalb zu Ihnen gekommen, weil wir uns schon mal kurz über Dinge unterhalten haben, die von den meisten
Weitere Kostenlose Bücher