1287 - In der Kalmenzone von Siom Som
machte sich ein paar Notizen. „Heimlichkeiten in einem Liebesroman, das macht sich immer gut. Also, Luzian, was hast du vor mir verborgen? Heraus mit der Sprache! Hast du eine Geliebte? Hah! Ich sehe dir an, daß es so ist! Wo hast du sie versteckt? Hier drin? In der linken Wade von Jo? Oder draußen? Rede! Oder ich bringe dich um!
Gifttod, versteht sich. Das paßt auch ganz gut in einen Liebesroman."
„Gifttod?" Er setzte wieder die eiserne Miene auf. „Ja, das wäre eine Lösung für mein Problem. Aber nicht für deines!"
„Wie soll ich das verstehen?" staunte die Computerspezialistin.
„Wenn ich tot wäre", erklärte er ganz ernsthaft, „dann würde mir dein unsinniges Geschwätz erspart bleiben. Das wäre ein Gewinn. Aber wenn du den Helden der Liebe in deinem Roman tötest, dann gibt es kein Happy-End. Dein Werk würde von den Kritikern zerrissen werden. Und aus wäre der Traum von einem Bestseller. In den Kugelsternhaufen würde man dein Buch als Toilettenpapier verwenden."
„Du gönnst mir nur meinen Erfolg nicht!" fauchte sie wütend.
„Stimmt genau!" Luzian donnerte seine Faust auf die Steuerkonsole vor dem Bildschirm.
„Und jetzt ist Schluß mit dem Quatsch!"
Sie lachte silberhell, bis das Alarmsystem Jos ansprach. Nach der Bloßstellung ihrer geheimen Aktion im Auftrag der Kosmischen Hanse hatte Susa ein paar Kleinigkeiten im Gesamtsystem des Cyborgs geändert. Da Jo ja nun wußte, daß in seinem Innern einiges etwas anders war, brauchte keiner mehr vor dem anderen Verstecken zu spielen. Die wichtigste Änderung war ein Anzapfen von Jos Mikropositronik, die in der obersten Etage der eiförmigen Cyborg-Komponente untergebracht war. Dadurch war es den beiden Siganesen möglich, aus dem Innern heraus problemlos mit Jo zu kommunizieren.
„Ich muß euer Liebesspiel stören", meldete sich der Cyborg. „Die Zeit des Wartens und des Nichtstuns ist vorüber. Wenn ich es recht mitbekommen habe, dann hat sie auch bei euch Spuren hinterlassen. Findet also mal schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Ich gedenke, in Richtung des Heraldischen Tores aufzubrechen. Die Weihe steht nach den Mitteilungen der pailliarschen Medien unmittelbar bevor. Bei dieser Gelegenheit müssen Tek und Roi auftreten."
„Liebesroman ade." Susa Ail warf ihre Blätter und den Schreibstift achtlos in eine Ecke.
„Das haben wir nun davon", nörgelte Luzian. „Mit deinem Unsinn hast du die ganze Zeit vertrödelt und mich hingehalten. Jetzt ist es zu spät."
„Du wirst schon noch auf deine Kosten kommen." Susa antwortete ganz offen, denn Jo konnte ruhig mithören. In seinem Kunstleben gab es zwar so etwas wie eine Seele, aber auf Amouren jeglicher Art konnte er nicht reagieren. Er fand die zierliche Demeter so sympathisch wie Cornelius „Chip" Tantal oder seine beiden Insassen.
„Wie sieht es mit unserer Bewegungsfreiheit aus?" Luzian hatte den Hauptbildschirm eingeschaltet, auf dem die Siganesen über Jos Augen die Umgebung wahrnehmen konnten. Susa schaltete die akustische Wahrnehmung hinzu.
„... ist es den Gästen gestattet, das Heraldische Tor aus der Nähe zu betrachten, wenn die beiden Permitträger den ersten Schritt zur Weihe vollziehen werden." Jos Augen richteten sich auf einen Bildschirm, von dem ein Pailliare würdevoll und mit ernster Miene sprach. „Achtet jedoch auf die Anweisungen, die euch die Torhüter akustisch geben.
Befolgt diese genau."
Jo Polynaise setzte sich in Bewegung. Zusammen mit einem Trupp von etwa 40 Vironauten verließ er die Unterkunft. Draußen warteten große Transportfahrzeuge, deren Antigrav-Generatoren leise schnurrten. Unweit von ihnen bestiegen andere Vironauten gleiche und ähnliche Gefährte.
„Verhalte dich schön unauffällig", mahnte Luzian. „Wenn wir eine Gelegenheit erkennen, um in die Nähe von Roi und Tek zu kommen, müssen wir sie nutzen."
„Alles klar, meine kleinen Freunde."
„Soll ich dich noch ein wenig psychisch aufmöbeln?" fragte Luzian.
„Ich fühle mich ganz fit", antwortete der Cyborg selbstbewußt. „Vielleicht solltet ihr euch ein bißchen um euren Geisteszustand kümmern."
„Beleidigung!" zürnte der Tiefenpsychologe und nahm eine Schaltung vor, die Jos Mund in eine Starre versetzte.
„Das nützt dir wenig, Zwerg." Die Mikropositronik des Cy-Comps lachte. „Ich kann zwar jetzt nach draußen nichts mehr sagen, aber immer noch nach drinnen."
Die Transportgleiter setzten sich in Bewegung. Sie glitten zügig von den
Weitere Kostenlose Bücher