1287 - Wiedersehen im Jenseits
genommen hatte.
»Was geschah dann?«
»Wir haben uns unterhalten.«
»Sehr gut. Worüber?«
»Auch über Abraham Ascot!« Sarah hatte ihrer Stimme einen sicheren Klang gegeben, und sie hoffte, dass man ihr diese Worte auch abnehmen würde.
»Was sagte sie?«
»Nicht viel. Dass sie eine Ascot wäre und einen großen Verwandten in London hätte, von dem die Menschen noch einiges hören würden, weil er auf dem Gebiet der Psychologie eine Kapazität ist. Neue Methoden zur Heilung der menschlichen Seele hat er gefunden. Er muss wirklich ausgezeichnet sein. Ja, das wurde mir gesagt, und das hat mich neugierig gemacht. Kann man ja verstehen - oder?«
»Werde nicht patzig, alte Frau.«
»O Entschuldigung, wenn ich Ihnen zu nahe getreten sein sollte. Aber es ist nun mal so gewesen. Helena hat von ihrem Verwandten geschwärmt. Er muss für sie wie ein Gott gewesen sein…«
»Manchmal ist er das auch«, unterbrach Katja sie flüsternd. Ihre Augen bekamen einen nahezu schwärmerischen Glanz. Dann riss sie sich wieder zusammen. Mit scharfer Stimme fuhr sie fort. »Wie haben Sie Helena empfunden?«
»Ich habe mich gewundert«, erklärte Sarah. »Es ist normalerweise nicht üblich, dass sich eine so schöne Frau auf dem Friedhof zeigt. Sie war etwas Besonders. Nicht nur vom Aussehen her, auch von ihrer Kleidung, die mir sehr gut gefallen hat, weil sie eben so auffallend gewesen ist. Sie passte nicht in diese Zeit hinein, aber sie hat Helena wunderschön gemacht, denke ich. Das rote lange Kleid. Bestimmt bestand es aus Samt? Wunderschön. Sie war wie ein lebendig gewordener Traum und geträumt habe ich von ihr, das können Sie mir glauben. Aber später, nach unserem Treffen auf dem Friedhof. Ich wusste sofort, dass sie eine besondere Person war. Da reichte mir bereits ein Blick. Es war herrlich. Ich… ich… kann gar nicht sagen, was ich da alles fühlte. Ich war hingerissen, und ich habe mich mit ihr beschäftigt. Ich wollte auch wissen, wie der Mann aussieht, über den sie so oft gesprochen hat.«
»Deshalb also sind Sie zu dem Doktor gegangen.«
»Ja«, erklärte Lady Sarah und schaute ihr Gegenüber offen an. »So ist es gewesen.«
Katja lächelte. Nur ließ Sarah sich nicht täuschen davon, denn auch Teufel können lächeln. Die Warnlampe in ihrem Innern glühte stärker.
Beide aber wurden überrascht, als plötzlich das Telefon anschlug. Auch Katja zuckte zusammen, aber sie hatte sich schnell wieder unter Kontrolle und starrte Sarah an.
»Beweg dich nicht, alte Frau. Ein falsches Zucken, und ich schieße dir eine Kugel durch den Kopf.«
»Schon gut.«
»Du lässt es klingeln.«
»Natürlich.«
Es dauerte. Jedes Klingeln kam Sarah drei Mal so laut vor. Die Frauen saßen sich gegenüber, und Katja wirkte wie ein zum Sprung bereites Raubtier.
Irgendwann hörte das Klingeln auf. Jetzt merkte Sarah, dass sich auf ihrer Stirn ein dünner Schweißfilm gebildet hatte. Das starke Herzklopfen normalisierte sich nur langsam, und als sie wieder nach vorn in das Gesicht der Besucherin schaute, da sah sie, dass deren Augen leicht verengt waren. Sarah nahm es nicht als ein gutes Zeichen hin. Katja stand voll und ganz unter dem Einfluss ihres Chefs.
Sie würde genau das tun, was er verlangte.
»Mehr kann ich Ihnen nicht sagen«, erklärte Sarah und versuchte es mit einem Lächeln.
»Ich weiß.«
Die Horror-Oma entspannte sich wieder. »Wissen Sie, Katja, ich wundere mich schon, dass Sie bei mir eingedrungen sind und mich mit einer Waffe bedrohen. Was habe ich Ihnen denn getan?«
»Mir haben Sie nichts getan.«
»Da bin ich zufrieden.«
»Das glaube ich kaum«, erklärte Katja mokant. Ihr Lächeln sah für Sarah nicht günstig aus. »Ich bin fest davon überzeugt, dass Sie mich angelogen haben. Sie waren sehr sicher, und ich habe bei meinem Chef gelernt, die Menschen einzuschätzen. Sie habe ich eingeschätzt. Für mich sind Sie eine gute Lügnerin, doch nicht gut genug, Sarah Goldwyn. Längst nicht gut genug.«
»Bitte, was soll das?«
»Ganz einfach, Sarah. Man könnte auch sagen, dass Sie mich angelogen haben.«
Genau dieser Satz gefiel der Horror-Oma nicht. Sie spürte, dass sich etwas in ihrem Magen festsetzte. Das Blut schoss ihr ins Gesicht, und sie hatte Mühe, ein Zittern zu unterdrücken. Plötzlich flatterte der Blick, und sie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Vorgestellt hatte sie sich alles. Nur war diese Vorstellung jetzt wie ein Kartenhaus zusammengebrochen.
»Warum hätte ich Sie
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