1287 - Wiedersehen im Jenseits
stundenlang durch die Geschäfte. Mal fand sie was, mal fand sie nichts, das wusste man bei ihr nie. Es stand nur immer fest, dass es stets spät bei den Einkaufstouren wurde.
Die erste Tasse hatte sie leer getrunken und wollte sich eine zweite einschenken, als es an der Haustür schellte.
In den Sekunden danach blieb Sarah auf ihrem Sessel wie vereist hocken. Mit Besuch hatte sie nicht gerechnet, und sie fragte sich sofort, wer da zu ihr wollte.
Sie stand auf. Es war kein weiter Weg durch den Flur bis zur Haustür, aber die Person hatte es wohl eilig, denn sehr schnell klingelte sie ein zweites Mal.
Es gab das Guckloch, durch das Sarah schaute.
Eine Frau wollte sie besuchen. Blassblondes Haar, ein etwas starres Gesicht. Der Mantel stand offen, und sie erkannte, dass es sich um Katja handelte.
Was wollte sie?
Sarah öffnete die Tür. Sie konnte sie nur einen Spalt weit öffnen, weil sie dann von der Kette gehalten wurde.
»Sie?«
»Ja, Mrs. Goldwyn.«
»Bitte, Katja, Sie sehen mich überrascht. Gibt es einen Grund für Ihren Besuch?«
»Ich muss noch mit Ihnen reden.«
»Worüber?«
Sie wiegte den Kopf. »Das ist nicht so einfach zu sagen. Ich bin auch so etwas wie eine Vertraute des Chefs. Wir haben über Sie gesprochen, als sie gegangen sind, und Mr. Ascot hat irgendwie ein schlechtes Gewissen Ihnen gegenüber bekommen.«
»Warum das?«
»Nun ja, Sie waren wohl nicht so zufrieden. Das Gespräch zwischen Ihnen beiden hätte erfolgreicher verlaufen können. Er hat mich deshalb geschickt, damit ich da noch einhaken kann.«
»Ja, das verstehe ich schon«, sagte Sarah. »Aber warum hat er nicht angerufen oder ist selbst gekommen?«
»Nein, Mrs. Goldwyn, ein Anruf ist seiner Meinung nach immer zu unpersönlich. Natürlich hätte er selbst vorbeikommen können, aber Sie können sich vorstellen, dass sein Terminkalender besonders voll ist. Bei einer Kapazität ist das nun mal so. Da ist jede Stunde genau eingeplant und festgelegt.«
Das klang einleuchtend für Sarah Goldwyn. »Gut, wenn es nicht lange dauert.«
»Nein, nein, ich wollte nur darauf hinweisen, dass ich auch in der Lage bin, Fragen zu beantworten. Ich bin sozusagen eine Vertraute des Doktors.«
»Wenn das so ist, bitte.«
Das Misstrauen der Horror-Oma war zwar noch nicht völlig verschwunden, aber sie wollte auch nicht päpstlicher sein als der Papst, und es war ja auch möglich, dass sie sich geirrt und die andere Seite falsch eingeschätzt hatte.
Sarah zog die Kette aus der Öffnung und zog die Tür auf.
»Danke.« Katja war sehr höflich. Sie trat sogar ihre Füße auf der Matte ab. An der rauen Oberfläche blieben kleine Blätter kleben.
Katja betrat das Haus. Sie schaute sich im Flur um, während hinter ihr die Tür zufiel. »Wohnen Sie allein hier, Mrs. Goldwyn?«
»Es kann manchmal sehr einsam sein«, antwortete sie ausweichend. »Aber möchten Sie nicht ablegen?«
»Nein, das ist nicht nötig.« Ihr Lächeln wirkte plötzlich kantig, und das fiel auch Sarah auf. Und sie bemerkte jetzt, dass die Frau noch ihre rechte Hand in der Manteltasche stecken hatte.
In ihrem Kopf schrillten die ersten Warnsirenen auf!
Katja zog die Rechte aus der Tasche hervor. Es war nicht nur die Hand, die Lady Sarah zu sehen bekam, sondern auch die Pistole, deren Mündung plötzlich auf ihre Stirn zeigte…
***
Sarah tat nichts. Sie merkte nur, dass ihr das Blut in den Kopf stieg und sie innerlich anfing zu zittern, wobei sie sich gleichzeitig Vorwürfe machte, wie dumm und vertrauensselig sie doch gewesen war.
Sie hätte es besser wissen müssen. Die andere Seite war verdammt misstrauisch und achtete auf jedes Wort.
Jetzt war es zu spät für sie. Wieder einmal hatte sie sich selbst in die Klemme gebracht, und es stellte sich die Frage, ob sie ihr Haus je wieder normal verlassen konnte oder nur mit den Füßen voran.
Sarah Goldwyn riss sich zusammen. Nur keine Blöße zeigen. Sich zusammenreißen und sich nichts von den Gedanken anmerken lassen. »Betreten Sie ein Haus immer auf diese Art und Weise?«, fragte sie.
»Nein, nur wenn es sein muss. So wie bei Ihnen.«
»Und was wollen Sie?«
Katja winkte mit der Waffe. »Erst mal reden. Nur nicht hier, sondern in einem Zimmer. Im Flur ist es mir zu ungemütlich. Das werden Sie bestimmt verstehen.«
Sarah nickte. »Ich habe Sie unterschätzt, Katja.«
»Das ist bei mir oft der Fall.«
Lady Sarah sprach weiter. »Schade, dass eine junge Frau sich auf die falsche Seite gestellt hat. Was immer
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