1287 - Wiedersehen im Jenseits
Yard«, sagte ich und legte meinen Ausweis so hin, dass die Frau hinter dem Pult in der Eingangshalle ihn gut lesen konnte. Sie setzte sich trotzdem eine Brille auf. Wahrscheinlich wollte sie Zeit gewinnen.
»Ja, ja, das sehe ich.«
»Gut.« Ich nahm den Ausweis wieder an mich.
»Was möchten Sie denn, Mr. Sinclair?«
»Nichts von Ihnen. Ich will zu Doktor Abraham Ascot.«
»Ah ja. Da müssen Sie in die dritte Etage hochfahren. Ich kann Sie aber anmelden und…«
Ich streckte meinen Arm aus und legte die Hand auf ihre, die schon zum Telefonhörer greifen wollte.
»Nein, nein, so habe ich mir das nicht vorgestellt.«
»Sie wollen einfach hoch zu ihm?«
»Genau das.«
»Gut, dann…«
Ich unterbrach sie. »Noch etwas. Ich möchte nicht, dass Sie Doktor Ascot anrufen und ihm Bescheid geben. Sie könnten sonst Probleme bekommen. Haben wir uns verstanden?«
»Sicher.«
»Das ist gut.«
Die Halle gefiel mir ebenso wenig wie die Außenfassade. Das Haus kam mir innen und außen zu kalt und unpersönlich vor, aber das brauchte mich nicht zu stören, denn ich wohnte und arbeitete hier ja nicht.
Der Lift brachte mich nach oben. Ich verließ ihn in der dritten Etage und betrat einen Bereich der Ruhe. Da waren keine störenden Geräusche zu hören. Man konnte den Eindruck bekommen, sich auf der Intensivstation eines Krankenhauses zu befinden.
Den Weg zur Praxis des Psychologen fand ich schnell und stand zunächst vor einer geschlossenen Tür. Da ich ein höflicher Mensch bin, klopfte ich hörbar an, erhielt jedoch keine Reaktion. So hatte ich auch kein schlechtes Gewissen, als ich die Tür öffnete und in ein leeres Vorzimmer schaute.
Ich betrat es. Die Tür zog ich hinter mir zu und sah mich um.
Ein modern eingerichteter Raum. Nicht unbedingt nach einem Büro ausschauend. Man hatte die Farben in weichen Tönen gehalten, und die Bilder an den Wänden fand ich schon sehr geschmackvoll.
Ich sah auch eine zweite Tür, aber zuvor fiel mein Blick auf den Schreibtisch, vor dem normalerweise ein »Abfangjäger« saß und jeden Besucher mit Fragen löcherte.
Der Platz hier war verwaist. Er schien auch schnell verlassen worden zu sein, denn die Person hatte nicht aufgeräumt. Ein Laptop wurde von Papieren eingerahmt. Der Stuhl hinter dem Schreibtisch hatte sich beim hastigen Aufstehen verdreht und war schräg zur Seite gedrückt worden.
Da musste jemand in aller Eile seinen Arbeitsplatz verlassen haben. Natürlich gab es dafür Gründe, und ich wollte sie nicht unbedingt als negativ ansehen. Möglicherweise war die Person nur mal eben zur Toilette gegangen und würde bald wieder zurückkehren.
So lange wollte ich nicht warten. Ich war wild darauf, diesen Abraham Ascot kennen zu lernen, und ich wollte endlich wieder seine Namensvetterin sehen.
Was hinter der zweiten Tür lag, darüber musste ich nicht erst nachgrübeln. Das war das Allerheiligste des Psychiaters. Ich ging trotzdem nicht stürmisch vor. Über den Teppich huschte ich leise hinweg.
Durch Lauschen konnte ich auch nichts erfahren, denn die Tür schloss schalldicht.
Langsam öffnete ich die Tür. Sie gab zum Glück keine Geräusche ab, aber darauf hätte ich auch kaum geachtet, denn was ich mit meinen eigenen Augen zu sehen bekam, war spannend genug.
Ich störte den Chef, der auf einem Stuhl saß und einen Mann anschaute, der sich vor ihm aufgebaut hatte, bei einer Sitzung.
Ich sah, dass der Mann weinte, aber ich sah noch mehr. Hinter ihm hatte der Psychologe Puppen aufgebaut. Männer und Frauen bildeten eine Reihe, und mir blieb nichts anderes übrig, als den Kopf zu schütteln.
Doch zurück zog ich mich nicht und blieb auch weiterhin der heimliche Beobachter…
***
»Was wollen Sie hören? Was soll ich Ihnen denn sagen, verdammt noch mal?«
»Die Wahrheit, alte Frau. Die verdammte Wahrheit. Ich weiß, dass du nicht aus eigenem Antrieb gehandelt hast. So etwas schaffst du nicht mehr. Aber du hast dich vor einen Karren spannen lassen, und ich will wissen, wer in diesem Karren sitzt. Du hast dich eben etwas zu schlau bei dem Doktor angestellt.«
Sarah versuchte, ihre Angst unter Kontrolle zu halten. Katja sollte nicht merken, wie nahe ihre Vermutungen bei der Wahrheit lagen, aber die Horror-Oma überlegte auch, ob sie John Sinclair und Suko verraten sollte. Bisher waren die beiden bei Katja noch nicht in Erscheinung getreten. Sonst hätte sie konkretere Fragen gestellt.
»Willst du denn wirklich sterben, du zähes Luder?«, keuchte Katja.
»Ich
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