1288 - Das unheimliche Mädchen
Nicht wenige Menschen haben auch Kontakt mit ihnen, und so denke ich, dass es durchaus möglich sein könnte, dass sich Gabriela Monti für einen bestimmten Engel interessiert, nämlich Uriel. Ob dies der Wahrheit entspricht, kann ich dir nicht sagen, ich sehe es als eine Möglichkeit an. Die Gedanken habe ich mir schon gemacht.«
»Wobei sie nicht mal so verkehrt sind«, stimmte ich ihm zu.
»Das meine ich doch.«
»Hast du mit Gabriela darüber gesprochen?«
Er hob beide Hände. »Auf keinen Fall. Ich habe mir nur meine Gedanken gemacht. Dieses Thema wollte ich dir überlassen.« Sein Blick bekam einen leicht traurigen Ausdruck. »Ich bin mehr zu einem Manager geworden, so leid es mir tut. Da muss man manchmal passen und die Frontarbeit anderen Personen überlassen.«
»Schon gut, Ignatius«, sagte ich und klopfte ihm leicht auf die Schulter. »Die Zeiten im Kloster St. Patrick sind eben vorbei.«
»Leider«, stimmte er mir mit etwas trauriger Stimme zu.
»Und was ist mit frischem Nachschub an geweihten Silberkugeln?«
»Die kannst du selbstverständlich vor deiner Rückkehr einpacken. Das ist alles geregelt.«
»Danke.«
»Jetzt kann ich dir nur viel Glück wünschen und darauf hoffen, dass dich die Hand des Allmächtigen beschützt.«
»Danke, Father.«
Zum Abschied umarmten wir uns. Danach stieg ich in den Fiat. Der Anwalt war mit einem schmucken Alfa gekommen. Er wartete bereits ungeduldig auf die Abfahrt.
Ich war auf die nahe Zukunft sehr gespannt…
***
Die Frau, die uns in ihrem Büro empfing, konnte durchaus als Mannweib beschrieben werden. Sie vereinigte alle Vorurteile in sich, die man sich von Menschen machte, die in einem Gefängnis das Sagen hatten. Sie war groß, knochig, trug eine graue Uniform und hatte ihr Haar kurz geschnitten. Das Gesicht zeigte scharfe Züge, und der Mund wies an beiden Seiten einen Zug nach unten auf.
»Wäre es nach mir gegangen«, sagte sie, »wäre diese Person noch bei uns geblieben. Und zwar in einer Einzelzelle und so lange, bis sie uns die Wahrheit gesagt hat. Darauf können Sie sich verlassen. Es ist ungeheuerlich, was sie getan hat.«
»Möglicherweise nicht bewusst«, sagte der Anwalt, der mich begleitet hatte.
»Was soll das denn?«
»Denken Sie darüber nach.« Corbucci lächelte und schob ihr ein Schreiben über den fleckigen Schreibtisch. »Da steht alles, was Sie brauchen, Patrona. Für weitere Fragen stehen wir Ihnen nicht zur Verfügung, denn unsere Zeit ist begrenzt.«
Sie schaute sich das Papier nur flüchtig an und leckte dabei über ihre Oberlippe. Hätte nur noch gefehlt, dass sie einen Damenbart befeuchtet hätte, aber der wuchs dort nicht.
»Schon gut.«
»Dann können wir Gabriela jetzt mitnehmen?«
»Können Sie.« Ihre Augen verengten sich. »Packen Sie diese Teufelin mit dem Engelsgesicht ein. Ich will sie hier nicht mehr sehen. Sie bringt nur Unheil über diesen Ort.« Mit einer zackigen Bewegung erhob sie sich. »Folgen Sie mir.«
Es war das Beste, was sie hatte sagen können. Ich war froh, diesen kahlen Raum, in dem es nichts Freundliches gab, verlassen zu können. Der hatte sich den Knastzellen angepasst, sogar ein Gitter gab es vor dem Fenster.
Gabriela Monti wartete dort auf uns, wo die Besucher normalerweise hineingeführt wurden. Sie saß auf einem Stuhl, schaute auf ihre Knie und hatte eine schmale Reisetasche neben sich stehen.
Als wir den Raum betraten, hob sie den Kopf, und zum ersten Mal stand ich ihr gegenüber.
Ich hatte mir bewusst keine Vorstellungen von ihr gemacht und wusste nur, dass sie schwarze Haare hatte. Das traf zu. Ihre Haare waren sehr dunkel und recht lang. Sie hatte sie hinter dem Kopf mit einem dicken Gummiband zusammengebunden.
Mein Blick fiel in ein sehr schmales und auch blasses Gesicht mit großen, ebenfalls dunklen Augen.
Ein kleiner Mund, ein weiches Kinn, geschwungene Brauen unter einer glatten Stirn. Das Alter war ihr anzusehen, denn sie stand wirklich erst auf der Schwelle zum Erwachsensein und wirkte so, als müsste sie noch beschützt werden.
»Sie können sofort mit ihr gehen. Alle Papiere sind ausgestellt«, erklärte die Patrona.
»Machen wir«, sagte Lucio Corbucci. »Geht alles klar. Sie brauchen sich da keine Gedanken zu machen. Ich denke, dass Sie Gabriela nicht mehr hier begrüßen werden.«
»Das will ich hoffen…«
Sie fügte noch etwas hinzu, das ich nicht verstand, weil ich einfach nicht hinhörte, denn ich ging auf das Mädchen zu, das mir entgegenschaute und den
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