1288 - Das unheimliche Mädchen
flüsterte der Anwalt.
»Gebrannt?«
»Ja.«
»Sind Menschen zu Schaden gekommen?«, fragte Ignatius sofort.
»Nein oder ja. Nicht so, wie Sie vielleicht denken.«
»Dann wäre es am besten, wenn Sie von Beginn an erzählen«, schlug Ignatius vor.
Corbucci nickte. Er knetete dabei seine Hände und machte auf uns einen unsicheren Eindruck. Auch seine Stimme klang nicht mehr so sicher. Sie hörte sich verstockt an, er legte immer wieder Pausen ein, und so erfuhren wir von einem unglaublichen Vorgang, in den Gabriela Monti verwickelt gewesen war.
»Sie hat tatsächlich die Hände dieser anderen Frau verbrannt. Deren Finger sind schwarz geworden.«
Der Anwalt wurde blass und stieß hart die Luft aus.
Für meine weitere Aufgabe war das nicht eben von Vorteil. Ich blickte Ignatius an und schaute in dessen besorgtes Gesicht. Mit einer müden Bewegung strich er über sein graues Haar hinweg und meinte: »Das ist natürlich wenig hilfreich.«
Ich fügte einen Kommentar hinzu. »Dabei ist es bei ihr Notwehr gewesen.«
Corbucci lachte. »Klar, wenn man ihr glauben kann.«
»Zweifeln Sie?«
Fast treuherzig schaute er mich aus seinen dunklen Augen an. »Ich weiß wirklich nicht, was ich denken soll, Signor Sinclair. Da stellt sich ein großes Problem.«
»Haben Sie denn mit Gabriela gesprochen?«
»Habe ich.«
»Und?«
»Was soll Ich sagen?« Er zuckte die Achseln. »Sie kann sich an nichts mehr erinnern. In ihrem Kopf ist es leer. Vorbei, aus. Sie weiß nur, dass sie Todesangst gehabt hat, und was dann passiert ist, darüber schweigt sie sich aus.«
»Glauben Sie ihr denn?«
Meine Frage war nicht leicht für ihn zu beantworten. Er druckste herum, wiegte den Kopf, überlegte eine Weile und meinte schließlich: »Als Anwalt sollte ich ihr glauben. Aber ich habe so meine Zweifel, weil ich es nicht richtig nachvollziehen kann. Es bleibt immer etwas zurück, wenn Sie verstehen. Irgendwo ist ein Riegel, den ich nicht so leicht zur Seite schieben kann.«
»In Ihrem persönlichen Beisein ist so etwas nie passiert - oder?«, erkundigte ich mich.
»Nein, auf keinen Fall.«
Father Ignatius stellte die nächste Frage. »Haben Sie denn mit der verletzten Frau sprechen können?«
»Ich habe es versucht, Father, man hat mich nicht gelassen. Ich kenne nur die Aussagen, die man mir gegenüber gemacht hat, das ist alles. Sie stammen alle von offizieller Seite. Allerdings hatte ich trotzdem das Gefühl, dass es keine Probleme geben wird, wenn wir Gabriela Monti abholen. Die andere Seite ist froh, wenn sie ein Problem los wird. Deshalb werden wir wohl Glück haben.«
Ignatius lächelte mir zu. »Siehst du das auch als Glück an, John?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Überzeugt bin ich davon nicht. Aber ich werde mein Bestes tun.«
»Das solltest du auch.«
Wieder wandte ich mich an den Anwalt. »Wann können wir sie denn abholen?«
»Wir fahren sofort hin.«
»Gut.«
Ignatius hob die rechte Hand. »Ich werde noch etwas hier bleiben, bevor ich nach Rom zurückfahre. Solltest du trotz allem Probleme bekommen, lass es mich wissen.«
»Darauf kannst du dich verlassen.«
Der Anwalt und ich standen auf. Wohl war mir nicht, aber ich war auch gespannt darauf, Gabriela Monti kennen zu lernen, denn ich wollte herausfinden, ob sie tatsächlich ein weiblicher Feuerteufel war oder die Dinge nur auf einem Irrtum beruhten.
Zum Abschied lächelte Father Ignatius. Er hatte uns bis zu meinem Leihwagen gebracht. »Ich denke, dass du es schaffst, John, auch wenn ich nicht weiß, was alles dahinter steckt. Möglicherweise steht sie unter einem anderen Einfluss, der nicht unbedingt auf einen dämonischen Einfluss zurückzuführen ist.«
»Hast du einen Verdacht?«
»Es gibt auch das reinigende Feuer«, sagte er mit leiser Stimme und schaute an mir vorbei. »Vor einigen Minuten ist mir ein bestimmter Verdacht gekommen. Meine Gedanken drehten sich um das Feuer, um das reinigende Feuer, um es noch mal zu wiederholen. Plötzlich war die Verbindung zu den Engeln präsent. Ahnst du, was ich meine, John?«
»Ja.« Ich deutete auf meine Brust. Unter dem Hemd war das Kreuz verborgen. »Sein Zeichen ist am unteren Ende eingraviert. Das große U für Uriel. Gottes Feuer. Oder auch Licht Gottes. Der Feuerengel eben.«
»Sehr gut.«
»Und weiter?«
Father Ignatius lächelte. »Es beruht bei mir auf reiner Spekulation, John. Mehr kann ich dir beim besten Willen nicht sagen. Alles nur Spekulation. Aber nicht wenige Menschen beten zu den Engeln.
Weitere Kostenlose Bücher