1289 - Desteros Söhne
Henker!
Ein schwarzer, ein düsterer Henker. Eine höllische Gestalt, die Kinder gezeugt hatte und jetzt erschienen war, um sich ihnen zu zeigen.
Johnny wollte nicht in der Haut des Dave Norris stecken. Welche Gedanken würden jetzt durch seinen Kopf gehen? Für ihn musste eine Welt zusammenbrechen, so etwas zu sehen.
Sie waren die Söhne des Henkers!
Johnny merkte, dass er ins Schwitzen geriet. Mehrmals musste er seine Handflächen an den Hosenbeinen abstreifen. Er spürte einen Druck im Kopf und hätte am liebsten eingegriffen und den Henker gestoppt. Ihn zurück in sein finsteres Reich geschleudert, denn Johnny ging davon aus, dass er es nicht mit einem normalen Menschen zu tun hatte.
Der schwarze Henker mit dem Beil blieb so nahe vor seinen »Söhnen« stehen, dass er sie mit einem Schlag seiner Waffe alle erreicht hätte. Er war auch besser zu sehen, aber noch immer erkannte Johnny nicht, ob es sich bei ihm um eine Gestalt handelte, die man als echt ansehen konnte. Als dreidimensional. Sie sah aus wie ein Schatten, auch weil sie aus einer Schattenwelt gekommen war, doch daran glaubte Johnny immer weniger. Das hier war etwas ganz anderes.
Er konzentrierte sich auf das Gesicht. Einzelheiten waren nicht zu sehen. Es blieb eine schwarze Fläche unter der ebenfalls schwarzen Hutkrempe. Nur die gelben Augen deuteten an, dass so etwas wie Leben in ihm steckte.
Nur wollte Johnny dies nicht unbedingt als Leben ansehen. Es war das Gegenteil davon. Eine Urkraft.
Grausam und zugleich ein Antrieb, der den Henker aus seiner Schattenwelt zurück in die normalen Dimensionen getrieben hatte.
Auch Johnnys Vater und John Sinclair ebenfalls hatten schon öfter mit diesen bösen Gestalten zu tun gehabt. Da gab es Destero, den Dämonenhenker, der gerade seinen Eltern in früherer Zeit zu schaffen gemacht hatte. Oder auch den Schwarzen Henker, eine grausame Gestalt, die alles aus dem Weg räumte.
Sie waren keine normalen Menschen gewesen. Entweder Dämonen oder Gestalten, die im Jenseits keine Ruhe fanden und ihre Schattenwelt immer wieder verlassen mussten.
Gründe gab es für sie genug, und das traf auch in diesem Fall zu. Er war gekommen, um seine Söhne zu sehen, deren Adoptivväter er umgebracht hatte. Für Johnny gab es keine andere Lösung. Die vier Männer waren durch den Henker gestorben, weil er sich jetzt um die Nachfolger kümmern sollte.
Schließlich waren sie inzwischen alt genug geworden.
Bei seinem Gang war kein Laut zu hören gewesen. Die unheimliche Gestalt war quer über die grüne Fläche gegangen. Auch die Netze hatten sie nicht gestört. Johnny konnte nicht mal sagen, ob er sie überstiegen oder einfach durch sie hindurchgegangen war.
Es war auf eine schreckliche Art und Weise still geworden. Niemand wagte es, auch nur einen Laut von sich zu geben. Die jungen Leute waren in ihrem Schreck erstarrt, und auch Ringo ging keinen Schritt weiter.
Der Henker bewegte seinen Kopf. Es sah zackig aus. Das konnte auch an seinem flachen Hut liegen, der wie eine Krone auf seinem Kopf saß.
»Ihr seid hier«, sprach er sie an und lachte. »Ja, ihr seid alle gekommen. So wollte ich es haben…«
War das eine menschliche Stimme? Johnny, der die Worte ebenfalls gehört hatte, konnte es kaum glauben. Die Stimme kam ihm künstlich vor. Vielleicht klang sie auch überzüchtet, weil sie nicht mehr den normalen Gesetzen gehorchte, sondern denen aus dem Jenseits.
Er wartete auf eine Antwort und gab durch die Schlenkerbewegungen des Beils seine Ungeduld bekannt.
»Redet!«
Ringo, der sich hervorgetan hatte, war plötzlich ganz klein geworden. Er sah aus, als hätte er sich am liebsten in das tiefste Erdloch verkrochen.
Dave fand den Mut, etwas zu sagen. Er nahm sogar einen innerlichen Anlauf und streckte sein Kinn vor. So sah jemand aus, der nicht aufgeben wollte.
»Wer bist du?«
Es war eine schlichte, eine fast schon lächerliche Frage, für die Wartenden jedoch enthielt sie alles, was auch sie antrieb.
Der Henker wartete noch mit seiner Antwort. Er bewegte seinen Kopf. In den Augen blitzte das gelbe Licht auf. Und wieder war da seine schrille Stimme zu hören, als hätten sich die Stimmbänder in die Saiten eines Musikinstruments verwandelt.
»Ich bin euer Vater! Ich bin euer richtiger Vater! Ich habe euch damals gezeugt. Ich habe mir eure Mütter genommen und ihnen die Kinder gemacht. Ich wusste, dass die Frauen ihren Nachwuchs nicht behalten würden. Sie gaben sie ab und auch frei zur Adoption. Ihr alle habt
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