1289 - Desteros Söhne
rechten Ohrläppchen blinkte ein Ring. Sein Kopf war fast kahl geschoren.
Der Typ wirkte auf Dave aber nicht unsympathisch.
»He, wer bist du?«, fragte er.
»Ich heiße Dave.«
»Gut. Ich bin Ringo.«
»Okay.«
Beide schauten sich an, musterten sich und wussten nicht so recht, was sie noch sagen sollten. Ringo fragte schließlich: »Hört sich zwar komisch an, aber was ist mit deinem Alten? Lebt er noch?«
Dave schüttelte den Kopf.
»Scheiße. Meiner auch nicht.«
Dave schloss für einen Moment die Augen, bevor er flüsterte: »Wann ist er denn gestorben?«
»Vor zwei Tagen. Herzschlag.«
»Klar«, sagte er leise, »genau wie meiner.«
Ringo verengte seine Augen. In seinem glatten Gesicht hatte der Schweiß eine leicht glänzende Schicht gebildet. »Ist danach noch etwas passiert, Dave?«
»Bei dir auch?«
»Klar. Da kam so ein Typ. Der war plötzlich da und dann wieder weg. Als hätte er sich aufgelöst. Und der meinte, mein richtiger Vater zu sein.«
»Bei mir war es auch so.«
»Wie bei den beiden hinter mir.«
Dave zuckte nur mit den Schultern.
Die Geste gefiel Ringo nicht. »He, hast du dir keine Gedanken darüber gemacht, was das zu bedeuten hat?«
»Doch, das habe ich. Aber ich bin zu keinem Ergebnis gekommen. Ich kann mir da nichts vorstellen.«
»Ich auch nicht.«
»Was sollen wir denn machen?«, fragte Dave.
Es vergingen einige Sekunden, dann begann Ringo zu lachen. »Machen? Dass ich nicht lache. Was sollen wir denn machen? Gar nichts. Wir warten hier auf unseren Vater.« Er grinste breit. »Der Richtige muss ein verdammt scharfer Hengst gewesen sein, kann ich dir sagen. Bei den vielen Kindern. Kann sein, dass wir nicht mal die einzigen sind und noch einige dazukommen. Der hat in seinem Leben Schüsse abgegeben wie ein Pop-Star.«
»Aber du kennst ihn nicht.«
»Nein.«
»Du kannst auch nichts mit ihm anfangen?«
»Nein, verdammt.«
»Genau das ist es, Ringo. Das kann ich auch nicht. Ich weiß nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten soll, wenn ich ihn sehe. Weißt du, was ich für ein Gefühl habe? Oder gehabt habe, als ich ihn plötzlich für einen Moment zu Gesicht bekam?«
Ringo streckte seine rechte Faust vor. An zwei Fingern klemmten Ringe. Dick und protzig. »Nein, das weiß ich nicht, aber ich sage dir eines, Dave. Wenn er mir noch mal in die Quere kommt, gibt es Zoff. Darauf kannst du dich verlassen. Nicht, dass ich meinem alten Herrn groß nachtrauere, aber eines steht fest. Es gibt schlechtere.«
Darauf wollte Dave nicht eingehen. Er stellte eine andere Frage: »Ist dir eigentlich klar, dass man dich auch adoptiert hat? Damals, als du noch ein Baby gewesen bist?«
»Ich habe davon gehört. Aber man hat es mir erst spät gesagt.«
»Spielt keine Rolle. Jetzt bekommen wir die Quittung.«
»Und wie sieht die aus?«
Dave hatte wieder etwas von seiner Sicherheit zurückgefunden. »Das kann ich dir nicht sagen. Ein Spaß wird es sicherlich nicht sein. Unser aller Vater wird uns das schon erklären können, denn ich rechne damit, dass er bald hier erscheint und uns nicht zu lange warten lässt.«
Ringo nickte. Dave bekam den Eindruck, dass er etwas von seiner Selbstsicherheit verloren hatte. Er fuhr mit der Zungenspitze über seine Lippen, schluckte, schaute sich um und hob schließlich die Schultern.
»Es bleibt wohl dabei, dass es unsere Daddys alle erwischt hat. Deinen, meinen und den der beiden hinter mir.«
»Klar, so sieht es aus.«
Ringo drehte sich um. Er wandte Dave den Rücken zu. Jetzt waren die beiden Begleiter wichtig. »He, habt ihr das gehört? Habt ihr alles verstanden?«
Sie gaben keine Antwort. So wie sie da standen, wirkten sie leicht zusammengedrückt. Es war ihnen anzusehen, dass sie von starker Angst gequält wurden.
»Wie habt ihr euch gefunden?«, wollte Dave wissen.
»Wir kannten uns schon vorher. Waren in einer Clique. Haben so einiges durchgezogen, wenn du verstehst.«
»Nein, aber es ist mir egal. Ich weiß nur, dass er Macht über uns hat, obwohl wir ihn nicht kennen.«
»Ach ja?«
»Klar. Du bist hergekommen, ich bin es, und deine beiden Kumpels auch. Hat er euch auch angerufen?«
Ringo bekam ein rotes Gesicht, als würde er sich schämen. »Ja, das hat er tatsächlich. Und wir sind gegangen.«
»Wie ich.« Dave lachte. »Aber warum haben wir das getan? Hast du dich das schon mal gefragt?«
»Nein, habe ich nicht.«
»Aber ich. Denn ich habe in den letzten Stunden darüber nachgedacht. Es ist seine Macht. Seine
Weitere Kostenlose Bücher