129 - Der Vampir von Budapest
Tag über geschlafen.«
»Du machst die Nacht zum Tag? Das ist aber nicht die richtige Einstellung für einen Marathonläufer.«
»Ich nehme nicht daran teil.«
Iduna glaubte, nicht richtig gehört zu haben. »Was? Du hast wie verrückt trainiert, hast eine Menge Zeit in die Vorbereitungen investiert. Ich dachte immer, eher würde die Welt einstürzen, als daß dich jemand davon abbringen könnte, am Budapest-Marathon teilzunehmen. Was ist los mit dir, György? Was ist passiert? Woher hast du diese Schrammen? Hattest du einen Unfall?«
»So könnte man es nennen«, sagte György.
»Ah - du kannst wegen dieser Verletzung am Budapest-Marathon nicht teil, nehmen.«
»Nein, Iduna, nicht deshalb«, widersprach György Tarko seiner Schwester, »sondern weil ich tot bin.«
Iduna sah ihn fassungslos an. Er hat den Verstand verloren! dachte sie bestürzt.
»Wo ich gewesen bin, möchtest du wissen!« sagte György plötzlich mit einem aggressiven Unterton in der Stimme. »Ich war nicht in der Stadt. Ich war Gast auf einem Schloß. Ich war der Gast eines Mannes, dessen Namen du bestimmt schon gehört hast Er heißt Istvan Graf Lazar!«
»Nein!« schrie Iduna entsetzt auf. »Du bist dem Vampir in die Hände gefallen!«
»Ja!« antwortete György gemein grinsend. »Und nun bin ich selbst ein Vampir!«
Er verbarg seine Vampirhauer nicht länger. Sein breites Grinsen bestätigte, was er gesagt hatte.
»Graf Lazar ist mein Meister!« sagte György Tarko rauh. »Willst du ihn sehen? Er ist hinter dir und möchte deine Bekanntschaft machen!«
Tarko packte das Mädchen blitzschnell. Er drehte Iduna um und preßte sie fest gegen seinen Körper. Namenloses Grauen erfaßte das blonde Mädchen, als es die große Fledermaus am Fenster sah.
Lazar wartete darauf, eingelassen zu werden. Tarko schleppte seine Schwester zum Fenster.
»Nein!« schrie Iduna verzweifelt. »Tu das nicht, György! Ich bin deine Schwester!«
»Der Meister braucht dein Blut!«
»Bitte, György!« Iduna wehrte sich mit ganzer Kraft, doch es gelang ihr nicht, sich zu befreien.
György Tarko öffnete den Fensterriegel und ließ Istvan Graf Lazar ein. Die Fledermaus landete auf dem Teppich, legte die Flügel an den Körper, wuchs und nahm menschliches Aussehen an.
Iduna sah am Hals des Blutgrafen eine schwarze Brandwunde, die die Form eines Drudenfußes hatte. Der Vampir starrte das verzweifelte Mädchen haßerfüllt an.
Sie schluchzte und wehrte sich immer wilder, »Halt sie fest!« verlangte Graf Lazar scharf.
»Ja, Meister!« György Tarko drückte mit beiden Armen so fest zu, daß sich Iduna nicht mehr rühren konnte. Sie bekam keine Luft, drohte ohnmächtig zu werden.
Als Lazar auf sie zutrat, wirkte er müde. Ihr Blut würde ihm die verlorene Kraft wiedergeben. Er hätte sich auch so erholt, aber es hätte länger gedauert.
Lazar öffnete den Mund. Seine Eckzähne ragten dem entsetzten Mädchen entgegen. Lang und spitz waren sie, und Iduna hatte den Eindruck, sie würden in diesem Moment noch länger werden.
Sie konnte nichts mehr tun - nur noch schreien!
***
Auch ich klammerte mich an den Strohhalm, von dem Vladek Rodensky gesprochen hatte, und zwar deshalb, weil György Tarko unauffindbar war.
Das konnte bedeuten, daß Graf Lazar den jungen Mann zum Wiedergänger gemacht hatte. Hätte Lazar sich für den Todesbiß entschieden, so wäre irgend jemand auf Tarkos blutleere Leiche gestoßen. Der Vampir hätte sich nicht die Mühe gemacht, den Sportler zu verstecken.
Wenn György Tarko zu Graf Lazars Blutkomplizen geworden war, würde der Meister ihn jetzt einsetzen und sich seine Dienste zunutze machen.
Lazar konnte Tarkos Hilfe jetzt sehr gut gebrauchen. Mir lief es eiskalt über den Rücken, als ich daran dachte, daß sich der Blutgraf in diesem Augenblick von Tarko vielleicht dessen Schwester »servieren« ließ.
Lazars Vorsprung war nicht groß, und wenn man ins Kalkül zog, daß er erst György Tarko mobilisieren mußte, konnten wir es vielleicht schaffen, vor den Vampiren bei dem Mädchen zu sein.
Die Adresse bekamen wir von Janos Selpin, und wenig später saßen wir im Rover und rasten durch das nächtliche Budapest.
»Was ist mit deinem Gefühl?« fragte ich meinen Freund. »Ist es immer noch gut? Du warst doch so sicher, daß wir ihn kriegen.«
»Ehrlich gesagt, es hat stark nachgelassen«, gab Vladek zu. »Mir tut Albina schrecklich leid. Sie führte bisher ein völlig normales Leben, und plötzlich gerät sie in einen Horror,
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