1292 - Die Blutbrücke
das Laub auf, das der Wind auf den Gehsteig gefegt hatte.
Er hielt den Kopf zwar gesenkt, doch aus den Augenwinkeln schaute er sich immer wieder um, als wäre er auf der Suche nach den unheimlichen Wesen.
Das tat auch Harry. Nichts war zu sehen, das ihn hätte beunruhigen können. Auch die Fahrer der Autos, die über die Brücke rollten, zeigten keine unnatürlichen Reaktionen.
Harry hätte es auch als eine Lüge abgetan, wären da nicht die Verletzungen gewesen und natürlich der Anruf seines Freundes John Sinclair, der ihn auf die Blutbrücke aufmerksam gemacht hatte. Er wusste auch, dass zahlreiche dämonische Kräfte im Verborgenen lauerten und nur auf eine bestimmte Gelegenheit warteten, um sich zu zeigen.
Als sie das abgestellte Rad passierten, bedachte Heiko Fischer es mit keinem Blick. Sie erreichten den schwarzen Omega. Harry hatte seinen Schützling losgelassen. Zwar zitterte Heiko noch, aber er hielt sich auf den Beinen.
Stahl drückte auf einen Kontakt am Schlüssel. Lichter flammten für einen Moment auf, die Sperre im Fahrzeug wurde aufgehoben, und so konnten sie einsteigen.
Mit steifen Bewegungen quälte sich Heiko Fischer auf den Beifahrersitz. Er streckte die Beine aus und atmete tief durch. Bäume nahmen ihm die direkte Sicht auf die gesamte Breite der Brücke, und Harry wies ihn darauf hin, dass sich im Handschuhfach Tücher befanden, mit denen er sich sein Gesicht säubern konnte.
Heiko zupfte zwei Tücher hervor. Im Schminkspiegel schaute er sich sein Gesicht an und erschrak über sich selbst. Die roten Streifen aus Blut hatten ein Gitter auf der Haut hinterlassen. Auf der Oberfläche war es bereits leicht trocken geworden und hatte auch eine hauchdünne Kruste bekommen.
Harry sah, dass Heiko es allein nicht schaffte. Seine Hand zitterte zu sehr. Das mit Duftwasser benetzte Tuch verschmierte das Blut mehr, als dass es das Gesicht säuberte.
Nachdem vier Tücher verbraucht waren und sie rot gefärbt auf der Konsole lagen, sah Heiko wieder fast normal aus. So hätte er sich auch unter die Leute wagen können.
»Danke, das war okay.«
»Nichts zu danken. Ich werde Sie noch nach Hause fahren.«
»Nein, das ist nicht nötig. Ich bin wieder fit und kann auch mit meinem Rad…«
»Keine Widerrede. Sie werden mir jetzt sagen, wo Sie wohnen, und der Rest ist meine Sache.«
»Gut.«
Harry schaltete den Motor ein. Er machte sich seine Gedanken, und er dachte nicht daran, Heiko Fischer so schnell zu verlassen. Denn er hatte ihm praktisch das Tor zur Blutbrücke geöffnet. Aber es war noch nicht so weit aufgestoßen worden, wie er es gern wollte. Daran musste Harry noch arbeiten.
Mit leiser Stimme gab ihm Heiko die entsprechenden Anweisungen. In der Straße, in der er wohnte, gab es einen freien Parkplatz, in den Harry den Omega lenkte.
»Danke, Herr Stahl, das war wirklich sehr nett.«
Harry lächelte. »Ich werde auch weiterhin bei Ihnen bleiben. Bitte, denken Sie nichts Falsches. Ich sehe es einfach nur als meine Pflicht an, dies zu tun.«
Heiko Fischer sagte zunächst nichts. Er musste sich die Worte des Mannes durch den Kopf gehen lassen. Trotzdem fand er für sich keine Lösung. »Bitte, so etwas habe ich noch nie erlebt. Warum tun Sie das? Ich bin ein Fremder für Sie. Sie sind fremd hier. Es war der reine Zufall, dass wir uns getroffen haben.«
»Meinen Sie das wirklich so, Heiko?«
»Was?«
»Das mit dem Zufall.«
»Ja, ja.« Er nickte heftig.
Stahl sprach dagegen. »Nein, das war kein Zufall. So ehrlich bin ich zu Ihnen. Ich bin zwar fremd in der Stadt, aber deshalb muss mir die Blutbrücke nicht unbekannt sein. Ich bin ihretwegen gekommen, verstehen Sie?«
»Nein, das verstehe ich nicht.«
»Ein Freund aus London hat mich auf die Brücke aufmerksam gemacht.«
Heikos Kinnlade sackte nach unten. »Jetzt«, flüsterte er, »verstehe ich gar nichts mehr…«
»Keine Sorge, das wird sich ändern…«
***
Wie beschwerlich war das Reisen früher, wie glatt ging es doch heute, wenn niemand streikte. Das erlebte ich auf meinem Flug nach Deutschland.
Ich hatte noch einen Platz ergattern können, die Landung in Frankfurt lief mit nur zwei Minuten Verspätung ab, und der Leihwagen, ein flotter schwarzer Golf, stand auch bereit. Von einer lächelnden Mitarbeiterin wurde er mit dem Schlüssel übergeben.
Im Regen war ich in London gestartet, bei trockenem Wetter startete ich den Leihwagen. Der Himmel über mir zeigte einen Mix aus dicken weißen Wolken, vielen hellblauen Flecken
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