1292 - Die Blutbrücke
verbrannte innerhalb einer Sekunde.
Es war kein Feuer zu sehen, und trotzdem war es ein Verbrennen oder Veraschen im Licht.
Was blieb zurück? Staub. Nichts als Staub, der wie eine aus unzähligen Partikeln bestehende Fahne zu Boden sank und dort als hellgraue Asche liegen blieb. Die Reste eines Monsters.
So war es immer, wenn diese Wesen mit dem Kreuz in Berührung kamen. Es war kompromisslos, wenn es darum ging, die Diener der Finsternis zu zerstören. Wieder einmal hatte ich es als meinen großen Trumpf ausspielen können, aber ich wusste auch, dass es mir nicht immer half. Auch ihm waren Grenzen gesetzt.
Es war alles sehr schnell gegangen, und jetzt hatte ich den Eindruck, mich im Zeitlupentempo zu bewegen, als ich mich nach links drehte, um mich um den ersten Vampir zu kümmern.
Ich sah ihn nicht mehr!
Er hatte es tatsächlich geschafft, sich aus dem Staub zu machen, und das, obwohl sich eine Gegenkraft in diesem Zimmer ausgebreitet hatte, worüber ich schon nachdachte.
Ich ging zu meiner Lampe, um sie aufzuheben. Als sie in Kniehöhe über dem Boden schwebte und ich sie drehte, was keine Absicht war, sondern unbewusst geschah, da drehte sich auch der Strahl in eine andere Richtung und dort sah ich die Bewegung.
Jemand kroch über den Boden.
Ich lief hin. An einem Schreibtisch, der nicht weit vom offenen Fenster entfernt stand, sah ich den ausgemergelten Körper, der noch einen letzten Fluchtversuch unternahm.
Wäre das Wesen ein Mensch gewesen, es hätte mir Leid getan. Nicht ein Vampir, der versuchte, seine erbärmliche Existenz zu retten, was er nicht mehr schaffte.
Das sah ich mit einem Blick. Und ich sah auch, dass ich nicht mehr einzugreifen brauchte, denn der Blutsauger war dabei, zu vergehen. Ihn hatte nicht die direkte elementare Wucht des Kreuzes erwischt. Er war mehr am Rande getroffen worden, und genau diese Kraft hatte ihm seine Kräfte genommen. Er zerknirschte. Er zerbrach beim Zuschauen.
Ich leuchtete ihn direkt an. Er hatte mich auch gehört und drehte nun seinen Kopf, als er den Lichtstrahl wahrnahm.
Fast wäre ich zurückgezuckt, als ich sein Gesicht sah. Als ein solches konnte man es nicht mehr bezeichnen. Es war eine noch schrecklichere Fratze geworden, die sich zudem im Stadium der Auflösung befand. Die Haut rieselte von der Stirn her nach unten. Die Nase zerknirschte unter leisen Geräuschen, die Lippen lösten sich auf, und die dünne Haut am Hals sackte weg wie eine alte graue Pelle.
Er würde sein verdammtes Leben nicht retten können. Mit einem letzten Kraftakt hielt er den Kopf noch angehoben, doch auch das war sehr bald vorbei. Der hässliche Schädel sackte nach unten, und er brachte es auch nicht fertig, ihn noch abzustoppen. So prallte er gegen den Teppich, und ich hörte das letzte Knirschen, bevor der Kopf auseinander brach.
Knochen, Asche, alte Haut. Aus diesen drei Dingen setzte sich das makabre Stillleben vor meinen Füßen zusammen.
Von ihm würde ich nichts mehr erfahren, was mich weiterbrachte. Ich steckte die Lampe wieder weg und ging im Dunkeln auf das offene Fenster zu. Ein wütendes Geheul empfing mich, als eine Bö in den Hinterhof hineinraste und nach allem schnappte, was sich nicht schnell genug lösen konnte. Da wurde Papier in die Höhe gewirbelt. Ich hörte, wie Dosen über den Boden rollten, die dann irgendwo gegen die Hauswände schlugen.
Gegen den Wind stemmte ich das Fenster wieder zu und drehte mich um. Der erste Teil meiner »Arbeit« war getan, aber es gab noch einen zweiten. Bisher hatte ich nichts weiter über die geheimnisvolle Blutbrücke erfahren, aber das sollte sich ändern. Es musste einen Hinweis geben. Ich war sicher, dass ich ihn hier in der Wohnung des toten Polizisten finden würde.
Der Vampir hatte es geschafft, die Stromzufuhr zu unterbrechen. Ich würde sie nicht wieder hinbekommen und musste mich deshalb auf meine Lampe verlassen. Schon vorhin war mir aufgefallen, dass einige Papiere auf dem Boden lagen, und ich ging hin, um sie aufzuheben. Der Lichtkreis fiel zuerst auf die Landkarte. Sie war nur halb zusammengefaltet. Ich hob sie auf und ging damit zum Schreibtisch, auf dem ein zusammengeklappter Laptop stand.
Platz genug hatte ich und breitete die Karte aus. Ich beschwerte sie mit einem Locher, ließ das Licht über sie wandern und sah sofort, dass es sich um einen Stadtplan handelte.
Viel Grün in allen Himmelsrichtungen, aber auch inmitten der Stadt, durch die ein kleiner Fluss floss.
Er hieß Oosbach. Der Name
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