1293 - Halloween-Horror
Kollegen sah ich deutlich vor mir. Ich malte ihn praktisch in meinem Geist. Auch jetzt passierte nichts. Es gab keine Veränderung in meinem Kopf.
Okay, sein Bild sah ich in meiner Vorstellung, das war auch alles. Ansonsten blieb Suko nichts anderes als ein Gedanke oder eine Erinnerung.
Dass es nicht klappte, machte mich nicht eben unglücklich. Ich freundete mich mit dem Gedanken an, dass die Cavallo sich geirrt hatte, dass ich letztendlich doch zu stark gewesen war und ihr einen zu großen innerlichen Widerstand entgegengesetzt hatte. Das wäre natürlich ideal gewesen. Sicherheit hatte ich trotzdem nicht bekommen. Ich hätte einen erneuten Versuch mit der Fotografin starten sollen.
Sie war nicht greifbar und mich interessierten im Augenblick auch andere Dinge. Harry hatte von einer Frau gesprochen, deren Kostüm die Cavallo geraubt hatte. Nur hatte er die Frau nicht mehr gesehen und das bedeutete für mich nichts Gutes. Wenn sie der Cavallo in die Hände gelaufen war, gab ich nicht mehr viel für sie.
Vom langen Sitzen war ich schon etwas steif geworden. Ich stand auf und machte einige Streckübungen, die mir sehr gut taten. Durchbiegen des Rückens, die Arme zur Seite fahren, die Beine ausschütteln. Dann setzte ich meinen Weg fort.
Unter der Brücke war der Gehweg breiter als außerhalb. Hier wuchs auch kein Gestrüpp. Nur etwas Unkraut wucherte auf dem feuchten Boden. Es war auch möglich, dass ich mir die falsche Seite ausgesucht hatte und über das Wasser musste. So gut wie möglich suchte ich die andere Uferstelle ab.
Ich holte sogar meine Lampe hervor und ließ den Strahl über das Wasser gleiten. Zwar erreichte der Schein die andere Seite des Ufers, aber mehr passierte nicht. Ich lockte damit niemanden aus einem Versteck hervor und beschloss deshalb, auf dieser Seite zu bleiben.
Wie tief der Oosbachkanal war, wusste ich nicht. Schwimmen würde man dort bestimmt nicht können.
Ich trat gegen einen Stein und beförderte ihn ins Wasser.
Es platschte, und ich leuchtete den Aufschlagspunkt an. Das Licht reichte aus. Tief war der Stein nicht gesunken. Das Wasser würde mir höchstens bis zu den Knien reichen. Wenn es sein musste, konnte ich den Kanal sogar überqueren.
Das tat ich nicht. Dafür ging ich weiter und verließ das schützende Dach der Brücke. Ich blieb in der unmittelbaren Uferregion. Dort gab mir die Natur einen guten Schutz. Negativ war nur, dass dieses Gestrüpp bis dicht an das Wasser heranwuchs und es keinen Pfad gab, über den ich gehen konnte.
Über mir war es heller geworden. Jetzt bekam ich zumindest optisch etwas von der Halloweenfeier mit. Natürlich jaulte auch die Musik in meine Ohren hinein. Sie vermischte sich mit den starren Lichtern der aufgestellten Scheinwerfer.
Ich dachte darüber nach, wie weit ich die Uferregion absuchen sollte. Vielleicht noch zehn oder zwanzig Meter, dann wollte ich die Wasserseite wechseln.
Ich ging jetzt langsamer. Natürlich konnte auch ich von der Brücke aus gesehen werden. Es war niemand da, der sich über das Geländer beugte. Da wurde ich zunächst in Ruhe gelassen.
Bis ich plötzlich das leise Stöhnen hörte. Es war in meiner Nähe aufgeklungen, sonst hätte es der andere Lärm verschluckt. Und dieses Geräusch stammte nicht von einem Tier. Ich blieb auf der Stelle stehen und bewegte meine Lampe.
Schon beim ersten Hinschauen hatte ich Glück. Der helle Strahl erwischte das Ziel zwischen feuchten und starren Zweigen. Es war das Gesicht einer Frau…
Zunächst tat ich nichts. Auch die kleine Lampe schaltete ich nicht aus. Ich wollte sehen, wie sich die andere Person verhielt und vermutete, dass es sich um die junge Frau handelte, der das Kostüm von Justine Cavallo geraubt worden war.
Nur geraubt? Oder hatte sie Blut getrunken?
Die Frage würde ich wenig später beantwortet bekommen, wenn ich mit der Frau sprach. Sie hatte es schwer. Sie stöhnte auf, als sie den Rest des Widerstands aus dem Weg räumte und sich auf die Füße quälte. Festen Halt hatte sie noch nicht gefunden. Sie stand auf der Stelle und schwankte leicht hin und her. Es sah sogar ziemlich gefährlich aus. Da sie sich zu nahe am Wasser befand, konnte es durchaus sein, dass sie plötzlich wegrutschte und in den Kanal fiel.
Bevor das passieren konnte, war ich bei ihr, umfasste ihr linkes Handgelenk und zog sie in Sicherheit.
Blonde Haare, die jetzt verschmutzt waren. Ein Gesichtsausdruck, den ich nicht deuten konnte. Sie wirkte auf mich wie eine Person, der etwas
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