1293 - Halloween-Horror
passiert war, wobei sie allerdings nicht wusste, was da genau abgelaufen war.
Sehr unsicher stand sie vor mir. Der Blick schien durch mich hindurchzugehen.
Dass Halloween war, sah ich nicht an ihrer Kleidung. Sie trug ein langes, wollenes Kleid, über das sie auch leicht hätte stolpern können. Die Frau war sehr groß, erreichte fast meine Größe. Selbst unter dem Kleid war zu erkennen, dass sie gut gebaut war, aber sie war gleichzeitig völlig von der Rolle und so zog ich sie zunächst in die Deckung unter der Brücke.
Die Wand gab ihr Halt, und sie fuhr dann mit beiden Händen über ihr Gesicht. Erst danach schien sie zu erkennen, dass sich in ihrer Nähe etwas verändert hatte. Sie schaute mich an, ihre Lippen zitterten, und es war für mich deutlich die Furcht in ihren Augen zu erkennen. Ich wollte sie nicht erschrecken und leuchtete sie deshalb noch nicht an. So sah ich auch nicht, ob sich an ihrem Hals Bissspuren abzeichneten.
Meinem Blick wich sie aus. Dafür schaute sie auf ihre Füße. Dann zog sie die Schultern hoch. Auch wenn dieses Kleid aus Wolle war, die Kälte war einfach zu stark.
»Was ist los?«, fragte sie leise, die Lippen zitterten dabei. »Wer sind Sie?«
»Ich heiße John Sinclair.«
»Ja, ja, was ist denn…?« Ihr fiel nichts mehr ein, und sie schloss die Augen.
Ich nahm die Gelegenheit wahr und leuchtete ihren Hals ab. Das war die für Vampire so wichtige Stelle, an der sie das Blut der Menschen aussaugten.
Spuren entdeckte ich nicht. Ich drehte den Kopf zur Seite und sah auch an den anderen Stellen keine Bissmale. Sie schien wirklich großes Glück gehabt zu haben. Dann war die Cavallo wohl nur an ihrem Kostüm interessiert gewesen.
»Okay«, sagte ich. »Es wäre wohl besser, wenn Sie mir sagen, was passiert ist.«
Sie rang noch um Atem. »Ich weiß es auch nicht so genau«, gab sie zu. »Das hat mich alles zu sehr überrascht. Plötzlich sah ich sie…«
»Die Blonde?«
»Ja.«
»Haben Sie sie schon vorher mal gesehen?«
»Ich kenne sie nicht.«
»Was hat sie genau getan?«
Wieder schaute mich die Frau an, ohne mich zu sehen. Dann sagte sie ihren Namen und erwähnte auch den ihres Freundes. Sie sprach davon, dass sie getanzt hatte, um warm zu werden. Viele froren und wollten sich bewegen.
»Dann war sie plötzlich da. Es war wie ein Traum. Ich sah ihr Gesicht, und ich wusste nicht, ob sie eine Maske trug. Es war so glatt, es war aber auch schön.« Sie musste lachen. »Das passte nicht zu unserem Fest.«
»Ist Ihnen noch etwas aufgefallen?«, erkundigte ich mich.
»Ja. Sie lächelte. Dabei sah ich die beiden hellen Vampirzähne. Ich dachte noch, dass sie doch zu uns gehört, dann bekam ich einen Schlag.« Sie hob langsam den rechten Arm und drückte die Hand leicht gegen ihren Hinterkopf. »Da hat es mich erwischt. Das war… das war… wie man oft liest. Ich sah wirklich Sterne. Dann wurde es dunkel. Als ich erwachte, lag ich am Kanal.« Sie fuhr mit den Händen über den Kleiderstoff. »Ja, und dann kamen Sie.«
»Es war Zufall.«
Sie schaute mich an, aber die nächsten Worte galten nicht mir. Sie sagte: »Mein Kostüm ist weg.«
»Die Blonde hat es mitgenommen.«
»Warum?«
Ich verschwieg ihr die Wahrheit und zuckte mit den Schultern. Dann erklärte ich ihr, dass hier am Wasser nicht der richtige Platz für uns war.
»Wo wollen Sie denn hin?«
»Dort, wo es wärmer ist. Kennen Sie einen Platz?«
»Nein. Nur der Wagen, mit dem wir gekommen sind. Es ist ein Van, und er steht am Anfang der Straße.«
»Okay, ich bringe Sie hin.«
Sie wollte noch nicht gehen und lehnte sich an mich. Mir kam sie noch immer leicht benommen vor.
»Darf ich fragen, was Sie hier zu tun haben? Sie sehen nicht aus wie jemand, der Halloween feiern will.«
»Da haben Sie Recht, Andrea. Es war mehr Zufall, dass ich hergekommen bin.«
Sie musste kurz darüber nachdenken. »Trotzdem kennen Sie meinen Namen«, flüsterte sie. »Wie das?«
Ich versuchte es mit einem Lächeln. »Das ist eine längere Geschichte. Ich denke, dass ich sie Ihnen später erzähle. Wichtig ist, dass Sie zunächst aus der Kälte wegkommen.«
»Ja, das denke ich auch.«
Ich zog meine Lederjacke aus und hängte sie Andrea Merand über die Schulter. Irgendwie ist man ja noch Kavalier…
***
Chris Draber stand neben den Bierkästen und schaute auf die Hälse der Flaschen. Er selbst hatte eine leer getrunken und stellte sie jetzt zu den anderen. Das Treiben um ihn herum wurde immer wilder.
Man hatte wirklich
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