1295 - Der neue Sotho
verschwand aus meinem Blickfeld, als er den Rücken der Sotho-Projektion erreichte. Kurz darauf aber wurde er wieder sichtbar. Er suchte sich einen bequemen Platz auf der breiten, nach hinten gebogenen Schulter Sotho Tyg Ians und schlang den knorpeligen Schwanz um des Sothos Hals.
Ich hatte das Gefühl, der Zwerg sähe zu mir herüber. Er grinste mich an, und es strahlte so viel Bosheit aus seinen Augen, daß mir das Blut in den Adern stockte.
Ich erkannte ihn.
Es war Kralsh.
*
„Ihr alle", rief Sotho Tyg Ian, wobei er die Arme zu einer Geste breitete, die den ganzen Planeten zu umfassen schien, „werdet mein Gefolge sein. Ihr und die tapferen Kämpfer an Bord der Schiffe. Mit dieser Flotte will ich aufbrechen und das Licht unseres Glaubens in der fernen Galaxis verbreiten, die man Milchstraße nennt. Unser Unternehmen duldet keinen Aufschub. Wir brechen auf, noch bevor die Sonne sich über diesem Tal erhebt.
Viele von euch stammen selbst aus der Milchstraße. Ihr habt das Reich der Zwölf Galaxien gesehen. Ihr habt die Weisheit des Dritten Weges erkannt. Ihr habt die Upanishada besucht, euch bewährt und den Atem ESTARTUS getrunken. Auf euch zähle ich besonders in dem Kampf, der uns bevorsteht. Wir werden hart zuschlagen müssen, denn eure verblendeten Artgenossen wehren sich mit aller Kraft gegen die Lehre des Permanenten Konflikts.
Ehre wartet auf uns; denn wir werden den Kampf siegreich bestehen. Ich bin euer Feldherr, und ihr werdet mir gegenüber Gehorsam üben, wie das Gesetz es verlangt.
Unseren Abdruck werden wir der fremden Galaxis aufprägen. Ein Wunder werden wir dort schaffen, das sich mit den Wundern ESTARTUS messen kann. Ich bin Sotho Tyg Ian, euer Führer. Ich bringe euch Ruhm. Kehrt an Bord eurer Schiffe zurück und wartet auf meinen Befehl."
Abermals brandeten Wogen der Begeisterung auf. Die Menge geriet in Bewegung. Der neue Sotho hatte von Eile gesprochen. Jedermann war darauf bedacht, sein Fahrzeug so rasch wie möglich zu erreichen. Wir vier - sechs, wenn man Susa und Luzian mitzählte - waren die einzigen, die sich nicht von der Stelle rührten. Das entging dem Sotho nicht. Er wandte sich uns zu und donnerte: „Ihr dort - worauf wartet ihr noch? Ihr seid Auserwählte; ich weiß es. Ihr tragt die Faust des Kriegers. Aber meinem Befehl habt ihr in jedem Fall zu gehorchen."
Da geschah etwas Unerwartetes: Aus dem Kreis der Ewigen Krieger löste sich Ijarkor.
Er trat gemessenen Schrittes auf Tyg Ian zu. Mit einer Stimme, die längst nicht so kräftig wie die des Sothos, aber dennoch weithin zu hören war, sagte er: „Verzeih, Mächtiger, wenn ich es wage, unaufgefordert zu dir zu sprechen. Gestatte, daß ich dir eine Bitte vortrage..."
SRIMAVO
„Eine Zeitlang hat der Funkverkehr ausgesetzt", erklärte Ko. „Erst vor kurzem hat er wieder begonnen. Ich erhalte verwirrende und zum Teil widersprüchliche Informationen.
Fest steht nur eines: Ein neuer Sotho ist erschienen."
Es war merkwürdig: Die Nachricht überraschte mich nicht. Ich hatte die ganze Zeit über gewußt, daß an diesem Tag etwas Welterschütterndes geschehen würde. Warum nicht der Auftritt eines neuen Sothos? Meine Kenntnisse des Sotho-Kults waren lückenhaft. Ich wußte nur, daß Sothos immer dann erschienen, wenn der Welt der Ewigen Krieger eine besondere Gefahr drohte oder wenn es eine Aufgabe von überragender Wichtigkeit zu tun gab. Niemand schien zu wissen, woher die Sothos kamen. Sie standen auf jeden Fall in der Hierarchie des Permanenten Konflikts noch über den Ewigen Kriegern. Ihr Einsatzgebiet lag jedoch gewöhnlich außerhalb der Mächtigkeitsballung ESTARTU, so daß zwischen den Sothos und den Kriegern kein Konflikt entstand.
„Er heißt Sotho Tyg Ian, erfahre ich soeben", meldete sich Ko, „und er predigt den Kampf gegen halsstarrige Ungläubige in einer fernen Galaxis namens... Milchstraße!"
Ko hatte nicht die Angewohnheit, ihre Gefühle zu verbergen. Ich hörte ihr die Empörung richtig an. Ihre Substanz stammte aus dem Virenimperium, aber in langen Monaten des Umgangs mit Vironauten hatte Ko gelernt, unsere Sache zu der ihren zu machen und die Milchstraße als den Ort ihres Ursprungs, als Heimat zu betrachten.
Für eine wie mich war das eine verschrobene Art zu denken. Ich wußte doch selbst nicht, woher ich kam. Aber ich hatte keine Schwierigkeit, mich mit den Terranern zu identifizieren.
Allmählich formte sich ein Bild in meinem Bewußtsein. Ein neuer Sotho war
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