13 alte Esel
auf einem Bein herumzuhüpfen begann und die beiden anderen unsicher erröteten. Diese Form von Anrede hatten, sie noch nicht erlebt. Auch die Fürsorger waren wohlwollend gewesen und manchmal sogar die Polizisten, doch das war ein berufsmäßiges und meist nicht sehr echtes Wohlwollen.
Ein Familienfest! Don Chaussee bewunderte den alten Herrn insgeheim wieder. Eben noch hatte es so ausgesehen, als höre er nur halb zu, und jetzt stellte sich heraus, daß ihm nichts entgangen war, kein Wort über die Abgeschlossenheit des Heims, die Abgeschlossenheit der Kinder untereinander. Er hatte ihn unterschätzt. Herr Ess mochte alt und manchmal müde sein, aber im richtigen Moment vergaß er beides und war hellwach. Gespannt wartete er, wie es weitergehen würde.
»Alles ganz einfach, Frau Martha, nur keine zusätzliche Arbeit. Kaffee und Kuchen, dachte ich, und dann gehen wir zu den Eseln — das wird ein netter Spaß und macht den Kindern Freude. Sie sollen mal sehen, die...«
Frau Martha schwankte noch, wie sie sich verhalten solle. Herr Ess war ihr Chef, doch das hier ging zu weit; wenn sie das durchgehen ließ, würden die Kinder hinter ihrem Rücken über sie lachen, und ihre Autorität wäre weg. Sie hatte ihn reden lassen, bis sie wieder auf der Terrasse und unter sich waren; jetzt konnte sie nicht länger an sich halten. »Verzeihen Sie, ich muß da etwas richtigstellen .« Trotz ihrer inneren Verbitterung bemühte sie sich um Verbindlichkeit, als sie ihm die Geschichte mit den Prophetennamen und ihr strenges Verbot wiederholte und hinzufügte, sie halte es persönlich auch für eine unangemessene Entweihung.
Herr Ess hörte nur mit halbem Ohr zu, tief in seinen Plan versunken. Ungeduldig sagte er: »Das ist doch Unsinn — Esel sind nun einmal die typischen Tiere der Bibel, und was wird denn schon entweiht? Der Hund unseres Pastors heißt Schorsch; ich glaube nicht, daß sich der heilige Georg sonderlich darüber aufregt. Der Pastor befürchtet es jedenfalls nicht. Und Nahum — das ist doch einfach zu komisch! Da kann man doch gar nicht anders als lachen .«
Sie begriff nicht, was er daran komisch fand. »Schon aus erzieherischen Gründen sollte man...«, beharrte sie, und vor lauter Zusammennehmen klang ihre Stimme quengelnd.
»Schon recht, schon recht — erklären Sie es ihnen irgendwie. Schließlich sind die Namen ja nur Nebensache. Irgendeinen Grund muß man schließlich haben .« Sie ging ihm allmählich auf die Nerven, und er sah nicht ein, weshalb er es verbergen sollte. Er war es gewohnt, daß sich seine Leute nach ihm richteten. Er bezahlte und trug die Verantwortung, da sollten sie nicht auch noch querschießen. Sie kam ihm überhaupt in der letzten Zeit verändert vor — seit die Esel hier waren. Merkwürdig, dabei fiel ihm ein, daß sie ihn noch nie um einen Hund gebeten hatte, obwohl das Haus ziemlich einsam lag. Ob sie keine Tiere mochte? Das wäre allerdings ein böses Zeichen. Menschen ohne Tierliebe waren ihm unsympathisch. Er fragte sie geradeheraus.
Sie begriff nicht, was er meinte. Was hatte denn das mit den Propheten zu tun? Ihr fiel auf, daß an seiner Schläfe die Ader dicker hervortrat und er heftiger als sonst an der Zigarre zog, wobei er sie zum zweitenmal sonderbar ansah. Sie erschrak und lenkte überstürzt ein. »O bitte, es ging mir nicht um die Tiere; ich wollte Sie nur aufmerksam machen auf die Lage — aber natürlich haben Sie zu bestimmen .«
Don Chaussee, der sich wohlweislich nicht einmischte, brachte Uwe zu Schwester Monika ins Haus zurück. Er ertrug es nicht, sie so voll unbegreiflicher Angst, so gejagt von innerer Unsicherheit, so devot und so unterwürfig zu sehen. Herr Ess war kein Mann dafür, man spürte, daß er es nicht mochte. Weshalb übertrieb sie nur alles: die Härte gegen die Kinder und die Nachgiebigkeit gegen ihren Chef? Sie war nicht schlecht, sie wollte das Beste — weshalb geriet es ihr nur nicht?
Als er zurückkam, hatten sich die Wogen geglättet.
»Verstehen Sie mich recht«, sagte Herr Ess gerade, »ganz einfach, eben ein richtiges Familienfest. Und wo es in einem Aufwaschen geht, könnten wir eigentlich gleich auch die nächsten Nachbarn einladen, wie? Das ist ja längst überfällig. Daran hätte ich vor einem halben Jahr schon denken müssen. Den Wein bringe ich mit, und auch Eis; wir schichten dann die Flaschen in die Badewanne .«
Allmählich redete er sich warm, übersah ihre sich verdüsternde Miene bei der Erwähnung der Nachbarn,
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