13 kleine Friesenmorde
unwillig: »Selbstverständlich, Sie wissen doch, wo Aachen liegt!«
»Können Sie uns die Adresse geben?«, fragte Knutsen und schob dem Zahnarzt einen Zettel zu.
Melchior schrieb: »Aachen, Berntorstraße 1a.«
»Ist Iris von Aachen abgereist oder von hier?«, fragte Kommissar Knutsen.
»Hier, von Leer. Ich fuhr sie selbst zum Bahnhof und habe ihr Gepäck aufgegeben. Sie nahm unseren grünen Lederkoffer und ihren kleineren Reisekoffer, dazu noch einen lächerlichen Umhängebeutel mit. Ich kaufte ihr eine Rückfahrkarte«, sagte der Arzt.
»Hatte Iris einen Freund oder Freunde?«
Dr. Melchior antwortete bitter: »Als Vater einer schönen Tochter war ich auf jeden eifersüchtig, der sich Iris näherte. Viele junge Männer umschwärmten sie. Ohne mein ständiges Genörgel wäre es vielleicht anders gekommen. Jetzt weiß ich, was Iris in Norwegen suchte. Es war die Freiheit, die ich ihr nicht zugestanden hatte!«
Knutsen kümmerten die Tränen der Frau Melchior nicht. »Herr Doktor, haben Sie Namen aus dem Umfeld Ihrer Tochter parat?«, fragte er.
Dr. Melchior winkte ab. »Da kann ich Ihnen nur einige nennen wie Uwe, Sohn des Feinkosthändlers Breiterscheidt. Hans Knoll, er ist bereits Volksschullehrer in Solingen. Auch Theo Klammem bemühte sich um sie, er hat das Textilhaus übernommen. Sie versuchten es mit Partys. Aber Iris ging nur gelegentlich hin.«
»Kann Ihre Tochter Zugang zur Rauschgiftszene gehabt haben?«, fragte Kommissar Knutsen.
Entsetzt sprang der Arzt hoch. »Das ist unmöglich!«, rief er.
Frau Melchior stierte mit verheulten Augen den Kommissar an. Knutsen, der keine Hinweise für seineFrage hatte, dem aber das Elternhaus Parallelen zu ihnen bekannten Fällen lieferte, sagte einlenkend: »Ihre Tochter ist umgebracht worden. Das Motiv fehlt. Da liegt es nahe, an alles zu denken.«
Nordmann ließ den geschockten Eltern nur wenig Zeit.
»Herr Doktor, Sie sind ein reicher Mann. Das schließe ich aus Ihrem Beruf und dem, was uns hier umgibt. Es ist deshalb verständlich, dass Sie Ihre Tochter mit Geldzahlungen, na, sagen wir bescheiden, verwöhnten.«
Dr. Melchior setzte Falten in sein blasses Gesicht. »Mein Vermögen sollte für Iris eine Reserve sein. Ihren Erfolg wollte ich nicht kaufen und ihren Ehrgeiz nie drosseln. Ich hielt sie äußerst knapp. Viel zu knapp!«, sagte er.
Durch das vorgehaltene Taschentuch der Frau Melchior drang verschnäuzt die Bestätigung.
Knutsen setzte nach. »Wie hoch war die Reisekasse Ihrer Tochter?«
»Etwa 700 Mark«, sagte Dr. Melchior.
Knutsen konterte: »Wir fanden in ihrem Portmonee 7.000 Mark.«
Entsetzt starrte der Zahnarzt auf seine Frau. »Unmöglich, da liegt ein Irrtum vor!«, sagte er, als sie aus dem Zimmer stürzte.
Nordmann setzte nach.
»Herr Doktor, außerdem war Ihre Tochter im Besitz eines Bankbelegs eines schweizerischen Geldinstituts«, sagte er.
Dr. Melchior hastete aufgeregt hinter seiner Frau her.
Melchior hat alles erreicht. Jetzt hat das Schicksal voll zugeschlagen!, dachte Knutsen.
Während die »Polar-Road Star« bereits Fahrplanrückstände aufholte, lag Kommissar Torfner auf dem Bett und hatte Schlaf gefunden.
In Stavanger war der Roll-off- und Roll-on-Verkehr so zügig wir nur irgend möglich verlaufen, und auch die norwegischen Grenz- und Zollbeamten hatten entsprechend am später Abend bei der Abfertigung die Augen zugedrückt und es bei wenigen Stichproben belassen.
Als Torfner ausgeruht die Kabine verließ, befand sich die »Polar-Road Star« bereits auf der Rückfahrt. Lärmend zogen die Passagiere durch die Gänge und nahmen Besitz vom Schiff.
Während der Kommissar eine ruhige Ecke in der Disko aufsuchte, ging Fredo Wattnor seinem Dienst nach. Im orangeroten Overall mit Stampfer, Werkzeugtasche und vorgegebener Ortsbeschreibung suchte er die Toilettenanlage im B-Deck auf, um die Verstopfung zu beheben, die das gesamte sanitäre Abflusssystem störte.
Die Schüler und Schülerinnen eines Akkordeon-Orchesters aus Ostfriesland, die eine Reise nach Norwegen hinter sich hatten, versperrten Fredo Wattnor den Weg. Sie rempelten ihn an und deuteten den starren Blick aus dem trüben Auge falsch.
Fredo Wattnor setzte sich durch. Seinem Auftrag folgend heftete er das Schild »Nicht betreten! Reparaturarbeiten!« an die Tür der Damentoilette und setzte ohne Ekel Rohre unter Wasser und ließ Chemikalien ein.
»Haut ab!«, schrie er wütend, als die Mädchen – niedlich in dem blühenden Alter – dennoch die
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