13 kleine Friesenmorde
verlassen. Weitere Zeugen, die ebenfalls auf der Insel ihren Urlaub verbrachten, bestätigten den Aufenthalt des Ingenieurs in der Pinte, die sich in der Nähe des Kurhauses befand. Der gut gekleidete Gast hatte mit ironischen, witzigen Bemerkungen zur hervorragendenStimmung beigetragen und mit seinem rheinischen Dialekt die Lacher auf seiner Seite gehabt. Er hatte sich spendabel gezeigt, für seine ihn unbekannten Mitzecher einige Runden von dem rheinischen Alt geworfen. Diplom-Ingenieur Werner Urding hatte mehr als angeheitert, aber nicht betrunken, gegen 23 Uhr das Lokal verlassen.
Hier endete die von den vielen Zeugen bestätigte Spur.
Die Beamten berieten sich. Um diese Zeit hatte die Ebbe eingesetzt. Sie folgten dem Verdacht, dass sich Werner Urding nach seinem reichlichen Alkoholgenuss zu einem Bad in der Nordsee entschlossen haben könnte. Nach Rückfrage in Neuss wies Inge Winkler die Möglichkeit eines beabsichtigten Selbstmordes weit von sich. Bei ihrem Lebensgefährten handelte es sich nach ihren Aussagen um einen vitalen, weltgereisten, sportlich durchtrainierten lebenswilligen Typ, dem etwas zugestoßen sein musste. Ihre Tränen unterstrichen ihre Ansicht.
Die Beamten fanden zu einer weiteren Lesart. Sicherlich konnte Urding, falls er, was nicht auszuschließen war, samt Kleidung am Strand in die Wellen geraten war, nach einem Schwächeanfall ertrunken sein. Selbst einen Sekundentod schlossen die Beamten nicht aus.
Kommissar Feen hatte den Staatsanwalt in Aurich unterrichtet. Er hatte ihn gebeten, schnell zu reagieren, da ein Verbrechen nicht auszuschließen war. Die Beamten zogen das Fazit ihrer Beratung und kamen zu dem Schluss, am morgigen Tag eine Suchaktion mithilfe der Feuerwehr zu starten.
Es war bereits kurz vor 18 Uhr, als das Telefon läutete. Kommissar Feen nahm den Hörer ab und meldete sich.Der Kollege vom Dienst kündigte einen Besucher an, der am späten Abend eine Beobachtung gemacht hatte.
Die Beamten hatten sich bereits auf den Feierabend eingestimmt.
Sie waren ununterbrochen seit nun fast 12 Stunden im Dienst.
»Ja, bitte«, rief Arjes Feen, als der Besucher anklopfte. Er erhob sich. Die Tür öffnete sich. Er ging dem jungen Mann entgegen, der sich höflich umschaute und, wie hier zu Lande üblich, die Beamten mit »Moin« begrüßte. Er hatte eine gesetzte Figur, ein freundliches, offenes Gesicht und lächelte verlegen. Er trug Jeans, ein buntes, gestreiftes Sommerhemd, das über seine Taille fiel. Sein dunkelblondes Haar endete in blondierten Spitzen. Eine Tatsache, die der Kommissar, ohne es sich anmerken zu lassen, abstoßend fand. Im Ohrläppchen des Besuchers saß ein goldener Sticker, der ebenfalls poppig wirkte.
»Mein Name ist Jens Haffinger. Ich arbeite als Geselle in der Bäckerei Bösewiter«, stellte er sich vor.
»Feen, meine Kollegen Herr Büscher und Herr Grüther. Nehmen Sie bitte Platz«, sagte der Kommissar.
Grüther schob einen Stuhl zurecht.
Haffinger setzte sich auf den Stuhl.
»Sie haben eine Beobachtung gemacht, die uns vielleicht weiterhelfen kann?«, fragte Büscher.
»Dem ist so. Mein Freund Tilo Pechstein, auch er kommt wie ich aus Emden, arbeitet als Metzgergeselle in der Schlachterei ?Nickedy?. Er hat noch Dienst. Tilo und ich haben eine Altbauwohnung im Dachgeschoss auf der Moormelander Straße gemietet. Sie ist preiswert. Am Mittwoch hatte ich Geburtstag. Ich habe Tilo zum Abendessen in das ?Rialto? eingeladen. Wir sinddanach kurz vor 23 Uhr nach dem Verlassen des Italieners über die Promenade nach Hause gegangen. Als Bäcker muss ich früh raus.«
»Das ist nachvollziehbar«, meinte Grüther und blickte fragend auf.
»Ich gebe zu, dass Tilo und auch ich ein wenig über den Durst getrunken hatten und der leere Strand, die Dunkelheit und das Rauschen des Wassers uns zu schaffen machten«, sagte Haffinger und suchte nach Zustimmung.
»Wie meinen Sie das?«, fragte Kommissar Büscher.
»Wir hatten keine Angst, doch irgendwie wirkte alles um uns unheimlich«, antwortete Haffinger. Er entnahm seinen Jeans ein Tempotuch und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Gut, und nun zu Ihrem Beitrag«, forderte Kommissar Feen den jungen Mann auf.
»Wir beobachteten einen Mann, auf den die Beschreibung Ihrer Suchmeldung passt. Er war nicht alleine. Eine Frau und ein Mann hatten ihn zwischen sich genommen, ihre Arme in seine verhakt, wie es uns schien. Sie trugen so komische schwarze Mäntel und Klamotten«, sagte er. »Wie Satanisten«,
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